Erläuterungen zu ›Kaff auch Mare Crisium‹

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260–269 [13]270–277 [11]Alle Einträge
9.12
Infolgedessen wird, auf Antrag des Autors, wie folgt verfügt […]

Die Vorrede zum Roman adaptiert die Vorrede von Mark Twains ›The Adventures of Huckleberry Finn‹:

NOTICE
PERSONS attempting to find a motive in this narrative will be prosecuted; persons attempting to find a moral in it will be banished; persons attempting to find a plot in it will be shot.

BY ORDER OF THE AUTHOR,
Per G.G., Chief of Ordnance.

Am 18.8.1959 notiert Schmidt in seinem Tagebuch:

Ich lese Twain ›Huckleberry‹: sehr gut!

9.21
BARGFELD, den 10. März 1960

Das Datum der Vorbemerkung zum Roman könnte durch zwei reale Daten motiviert sein: am 10. März 1949 erschien in ›Die Zeit‹ mit dem Vorabdruck aus ›Leviathan‹ der erste gedruckte Text Arno Schmidts; der 10. März ist zudem der Geburtstag von Schmidts Lektor Ernst Krawehl. Denkbar ist auch ein dritter Auslöser: am 10. März 1960 erhielt Schmidt ein Telegramm Krawehls, in dem sich dieser vom Manuskript als ›bezaubert‹ bezeichnet. (Das funktioniert natürlich nur, wenn man davon ausgeht, dass Schmidt die Vorbmerkungen erst nachträglich hinzugefügt bzw. datiert hat.)

11.1
Nichts Niemand Nirgends Nie

Die Formulierung, die den gesamten Roman leitmotivisch durchzieht, erinnert an den 54. Sektor von Jean Pauls ›Unsichtbarer Loge‹:

Ein singendes Wesen schwebte durch unser Tal, aber von Blättern und Dämmerung versteckt, weil der Mond noch nicht auf war. Es sang schöner, als ich noch hörte:

– – Niemand, nirgends, nie.

11.8
Tütenzelte von Seleniten

»Selenit« ist eine Bezeichnung für Mondbewohner (etwa in Jules Vernes ›Von der Erde zum Mond‹ und ›Reise um den Mond‹) und der Name für blättrigen Gips.

11.27
Hier wurde der Hintergrund noch undeutlicher. (Oder waren bloß wieder die Brillengläser beschlagen? Prüfend Kopfkreisen –: ? –: Nee; Nicht=Ich; nix Kahmhaut. Gewöhnlichster hundspoetischster Nebel.)

Vgl. das Fragment ›Die Feuerstellung‹ aus dem Jahr 1955 (BA Sup I, S. 37):

Nebel im Wald. (Oder waren bloß wieder die Brillengläser beschlagen? – Prüfend Kopf kreisen; – ? –: Nee: Nicht=Ich!)

Also gemeinster poetischer Nebel, bon, und ich nickte ihm innig zu: die Kahmhaut eines Himmels, in der es nachher von 3000 Sternbazillen wriggeln würde.

11.29
Kahmhaut

Die Kahmhaut ist ein dünner Film aus Mikroorganismen, der sich etwa auf Wasser oder Steinen bildet.

11.30
Zwischendurch auch ‹Kaff› erklären : »IhrinSchlesien hättet Schpreu gesagt; gelblich iss 1 wie’s Andere.«

Pierer:

Kaff, 1) so v.w. Spreu; 2) Abgang aller Art; 3) schlechte Waare.

Zur Schreibweise »Kaf« notiert Pierer:

Kaf (arab. Myth.), das weltumfassende Gebirge, der Sitz aller Feen, Genien u. Geister, welches auf einem einzigen Smaragd, dem Zahra, ruht, durch dessen Wiederschein das azurne Blau des Äthers entsteht, u. dessen Bewegungen Erdbeben, feuerspeiende Berge u. dgl. hervorbringen.

12.5
Dann sieh Dir doch so lange Cromwell an

Oliver Cromwell, englischer Staatsmann, (1599–1658); erhielt 1653 als »Lord Protector« die oberste Staatsgewalt. Unter seiner Regierung wurde England zum mächtigsten Staat Europas.

12.8
ISETTA

Im Nachlass Arno Schmidts findet sich ein Isetta-Prospekt von »Auto-Meyer, Celle«.

12.9
ESSENTIAL JAMES JOYCE

›The Essential James Joyce. With an Introduction and Notes by Harry Levin‹, London, Cape 1948. – Der rund 540 Seiten umfassende Sammelband wurde mehrfach nachgedruckt; Schmidt besaß die Ausgabe von 1956 (BVZ 549.5). Vgl. den Brief vom 20. Mai 1959 an Wilhelm Michels, in dem Schmidt darum bittet, den Band zu bestellen (BWM S. 118).

12.17
»Es regnet? : Das thue ich vielleicht. : Lessing.«

In ›Über die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn‹ überliefert Friedrich Heinrich Jacobi auch seine Gespräche mit Lessing über Spinoza. Darin heißt es (Werke, Bd. 4, Leipzig 1819, S. 79):

Da bey Gleim in Halberstadt (wohin mich Lessing, nach meinem zweiten Besuche bey ihm, begleitet hatte) während wir zu Tische saßen, unversehens ein Regen kam, und Gleim es bedauerte, weil wir nach Tische in seinen Garten sollten, sagte Lessing, der neben mir saß: »Jacobi, Sie wissen, das thue ich vielleicht«. Ich antwortete: »Oder ich.« Gleim sah uns etwas verwundert an; aber ohne weiter nachzufragen.

Vermutlich hat Schmidt diese Bemerkung aber nicht bei Jacobi, sondern in Herders Dialog ›Gott. Einige Gespräche‹ (›Sämmtliche Werke‹, Bd. 16, S. 528) gefunden:

Theophron. Sie kennen Leßings Art, die Sache so zu wenden. – »Es regnet. Das thue ich vielleicht.«

12.20
»10 Oxen + 1 Bauer = 12 Schtück Rinnt=Vieh : Möricke!«

In Mörickes Märchen ›Das Stuttgarter Hutzelmännlein‹ heißt es:

Nach einer Weile holt der Böhringer just aus, auf schwäbische Manier die Nas’ zu putzen, hielt aber jäh betroffen inn’, denn hinter ihm sprach es, als wie aus einem hohlen Faß heraus, die Wort’:

»Zehn Ochsen und ein Bauer sind zwölf Stück Rindvieh.«

Zum Naseputzen vgl. auch S. 209:

Putzte sich auch die Nase mit der Hand; (wie ich denn schon früher einmal 1 Bauern schtoltz habe sagen hörn : ‹Ich s=teck mir main’ Rotz’och nich inne Tasche – wie die fain’Herrn!›).

12.22
Geh mir mit sogenannten ‹rianten Gegenden›!

»contreé riante«: liebliche, freundliche Gegend; vgl. auch ›Das Buch Mormon‹ (Mai 1961; BA III, 4, S. 76):

(Hier sei mir die Zwischenbemerkung erlaubt – und es ist mit nichten ein schlechter Scherz! – daß mir die gleichgerichtete Geschichte vom FLIEGENDEN ROBERT stets die mit Abstand faszinierendste im ganzen STRUWWELPETER war : ich bin im höchsten Grade anfällig für Graues & Windiges; so ‹riante Gegenden›, das ist nichts für mich.)

Ähnlich auch in ›Schutzrede für ein graues Neutrum‹ (Dezember 1963 / Januar 1964; BA III, 4, S. 349):

Fast immer ist relativ ‹schlechtes Wetter› : sehr sympathisch; ich bin nicht für riante Gegenden, (und mein Lieblingsstück im ‹Struwwelpeter› war stets die Geschichte vom ‹Fliegenden Robert› – die Literatur wirkt doch beträchtlich auf unser Leben ein)

12.23
Zu Schnecken ohne Haus sagten wir: »Na; Schneck?«; zu solchen mit Haus: »Nun? Herr Schneck?«

Aus Arno Schmids ›Hundstagsspaziergang‹ (BA I, 4, S. 177):

Zu einer Schnecke ohne Haus: »Na Schneck?!«;
zu einer Schnecke mit Haus: »Nun, Herr Schneck?«

Alice Schmidts Tagebuch 2.7.1955:

Bei Spaziergängen: zu Nacktschnecke[n] wird einfach gesagt: »na, Schneck?« Zu solchen mit Häusern (also wohlhabenden): »nun, Herr Schneck?«

Arno Schmidt an Eberhard Schlotter, 25. November 1956 (BES, S. 22):

Und da ich einen sehr ausgeprägten Sinn für ›Besitz‹ habe – Schnecken ohne Haus rede ich ohne weiteres mit »Na, Schneck« an; während ich mich solchen mit Haus nur mit einem ehrerbietigen »Nun, Herr Schneck« nährere!

12.27
Potz Osservatore Romano & Kraßny Flot

›Osservatore Romano‹, ital. = Der römische Beobachter; Titel der 1861 in Rom gegründeten vatikanischen Tageszeitung.

»Kraßny Flot«(Krasnyi Flot), russ. = Rote Flotte; Name der Marine der Sowjetunion.

12.27
»Mänsch, iss das lankweilich! – Gipp ammall BILD.« / Es enthielt eben die unschätzbare russische Aufnahme von der Mondrückseite, nischt wie ‹LOMONOSSOFF› und ‹ZIOLKOWSKY›

Namen zweier Mondkrater, benannt nach Michael Wassilijewitsch Lomonossov (1711–1765) und Konstantin Eudardovic Ciolkovskij (1857–1935).

Vgl. dazu den Tagebucheintrag Schmidts vom 27. Oktober 1959 (der Roman spielt am 28./29. Oktober 1959):

Abends: Mondrückseite: weniger gegliedert; größere Mare + Einzelkrater (1 Lomonossow!); ›S█████gebirge‹; usw. (unbedingt besorgen!)

Die entsprechende Ausgabe der ›Bild‹-Zeitung hat das Datum »Mittwoch, 28. Okt. 1959«.

12.33
»Nee.« beschtätichte sie eisenseitich=rundköpfich

»Ironside« war der Name der Kavalleristen unter Oliver Cromwell; »Roundhead« war der Spitzname der Puritaner, die Oliver Cromwell im englischen Bürgerkrieg gegen Karl I. unterstützten; vgl. auch auf der gleichen Seite »Dann sieh Dir doch so lange Cromwell an.«

13.2
krieg’ich etwa doch schon Hämorrhoiden?! – Gewiß, sie zieren den Gelehrten

Ähnlich auch in ›Sitara und der Weg dorthin‹ (1962/1963, BA III, 2, S. 90):

May laborierte übrigens, seine zweite Frau Klara hat’s schriftlich gegeben, im Alter notorisch an Hämorrhoiden – wie sich’s für den am Schreibetisch Ergrauten geziemt : ‹Die Hämorrhoide ziert den Gelehrten›.

Im Dezember 1959 schreibt Schmidt eine Postkarte an Michels (BWM, S. 138):

›kaff‹ inzwischen auf Seite 170 mitte beendigung 15.12. wahrscheinlich stop these ›nicht die hämorrhoide macht den gelehrten‹ entschieden zu schroff stop Nesödeme

13.6
Schtrohberge vorm Waldrand

Tagebucheintrag von Arno Schmidt, 5.8.1959:

Einfall: ›Strohberge‹ (ich sehe oft drüben hin mit Fernrohr, und überlege)

13.7
Sie nahm wieder 1 Blatt auf; hielt mir’s schtumm hin; und ich gemeinplätzelte : »Jedes kann ehrwürdich sein : als das Schterbebett 1 Käfers.«

August Lafontaine, ›Die Familie Saint Julien‹, Berlin 1789, S. 211 (BVZ 246.6):

Von jeher bin ich gegen den Schmerz zu weichlich gewesen, und bin es noch. Andre tauchen nur einen Finger in die Wehmuth; ich versinke darin, und lebe in ihr, wenn ich hinein gerathe, wie in meinem Elemente. Ich bin nicht für das Sterbebett eines Käfers gemacht; in den Stunden, wenn ich erweicht bin – und das sind die meisten meines Lebens – kann ich eine Fliege, die mich quält, an den Flügeln durch das Zimmer tragen, das Fenster öffnen, und sie hinauslassen, weil ich das Herz nicht habe, sie zu tödten.

13.19
Rascheln ? – Irgendein Woodwose ?

Mythologische Figur, Definition des Wiktionary:

A wild man of the woods; a faun, a satyr or a representation of such a being in heraldry or other decoration.

13.23
in feuchter Fäulniß weichem Wust

Zitat aus Barthold Heinrich Brockes ›Irdisches Vergnügen in Gott‹:

Ein alt bestäubtes Buch zeigt uns auf seinem Bande,
In feuchter Fäulniß weichem Wust,
Mit einer ganz besondern Lust,
Den allerschönsten Schmeltz von einem Garten=Lande,
In bunter Blumen=Glantz, in angenehmen Gründn.
Es zeigt uns verkleint den Pinsel und die Spur,
Wodurch die weise Hand der bildenden Natur
Die wundervolle Pracht
Von ihren schönsten Wercken macht.

14.8
Für all die Farben=rinxumm hätte ein Autolackierer natürlich vollere Namen gewußt : ‹Cortinagrau; Pompejischrot; Gris de Lin›; womöglich tropfenweise ausgeschprochen

In Schmidts Nachlass findet sich auch ein Isetta-Prospekt (der mir aktuell leider nicht vorliegt), in dem Schmidt die Farbnamen eventuell gefunden hat. Zumindest Cortinagrau war eine typische Farbe für das Oberteil des Wagens; Gris de Lin ist ein hellblauer Farbton.

15.8
‹GLASS TOWN›

Vgl. dazu Arno Schmidts Rundfunkessay zu den Brontë-Schwestern:

A.: GLASS TOWN ist die Hauptstadt des ‹Heiligen Landes›; hier residieren und wirken zunächst die 12 Herren aus lackiertem Holz, an ihrer Spitze Arthur Wellesley – bis dann, später, Jeder seine eigene Provinz zugewiesen erhält: die Fabel erweitert sich ins Maßlose!

›Angria & Gondal. Der Traum der taubengrauen Schwestern‹, BA II, 2, S. 403–433, hier: S. 416.

15.32
Und, hoppalá, der Übergang über die Beresina

Die Beresina ist ein Fluss in Weißrussland, der von Napoleon beim Rückzug von Moskau am 28.11.1812 überschritten wurde; diese Assoziation führt aber wohl auf die falsche Fährte: Schmidts nannten ein Flüsschen in Bargfeld privatim »Beresina«. – So notiert Schmidt etwa am 25. November 1959 in seinem Tagebuch:

Spaziergang: sehr schön; im leichten Nebel li. (blinder Weg); und short=cut zur ›Beresina‹ / Beide baden.

15.33
Schtill! : Meine heilje Seele kräuselt sich ! – : Nicht ich, mein Herz : Mörike=Mörike !

Anspielung auf Mörikes ›Der letzte König von Orplid‹ im ersten Buch des ›Maler Nolten‹:

KÖNIG. Ein König, ist er nicht ein Priester auch?
Still, meine heilige Seele kräuselt sich,
Dem Meere gleich, bevor der Sturm erscheint,
Und wie ein Seher möcht ich Wunder künden,
So rege wird der Geist in mir
– Freilich, zu trüb, zu trüb ist noch mein Aug –
Ha, Sklave, schaff das Buch! mein lieber Sklave!

16.14
Thünen, ‹DER ISOLIERTE STAAT›

Gemeint ist Johann Heinrich von Thünens ›Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie, oder Untersuchungen über den Einfluß, den die Getreidepreise, der Reichthum des Bodens und die Abgaben auf den Ackerbau ausüben‹ (1826). Schmidt besaß die Ausgabe letzter Hand von 1842/1850 (BVZ 830).

16.17
»Der Schiefer wird, solange er noch weich ist, an Ort & Schtelle in Platten geschpalten: […]«

Die Beschreibung der Schieferbearbeitung übernahm Schmidt aus dem Artikel ›Schiefer‹ des Pierer.

17.17
Wenn ich nur gewußt hätte, was dieser ‹Tripel› ist, mit dem man angeblich die letzte feinste Politur verleihen sollte?

Pierer:

Tripel […] Mineral, ist Kieselerdehydrat mit etwas Eisenoxydhydrat gemengt, ist graulich gelb, erdig, fühlt sich weich u. mager an, färbt etwas ab, läßt sich leicht zwischen den Fingern zerreiben; saugt Wasser ein u. erweicht dadurch; […] ist meist schieferig u. bildet dann den Tripelschiefer […]. Wird zum Poliren u. Putzen von Glas u. Metall benutzt.

17.20
‹HECTOR SERVADAC›: ‹FACE AU DRAPEAU›: ‹Dem Tripel nur, Du Sohn des Ruhms, verdankt Dein Schtahl den schönen Glans›

Zitat aus dem ersten Kapitel des zweiten Teils von Jules Vernes Roman ›Hector Servadac‹ (1877), in der deutschen Übersetzung ›Reise durch die Sonnenwelt‹ (1878):

Ben-Zouf knetete und frottirte den trockenen Körper wie eine alte Weinrebe, so daß man fürchten mußte, er werde Feuer fangen, und trällerte dazu, als putze er seinen Säbel zu einer Parade, den bekannten Refrain:

»Dem Tripel nur, Du Sohn des Ruhms,
Verdankt Dein Stahl den schönen Glanz.«

17.24
‹CHASSEURS D’AFRIQUE & MOSTAGENEM›

»Chasseurs d’Afrique« ist der Name einer berittenen Kampfeinheit der französischen Armée d’Afrique; »Mostagenem« heißt korrekt «Mostaganem« und ist eine Stadt in Nord-Allgerien. Die Fehlschreibung findet sich lt. Zeno.org vor allem im wenige Zeilen zuvor erwähnten Roman ›Hector Servedac‹ von Jules Verne.

18.14
Hinc illae lacrymae

Lateinische Redewendung (»Daher also die Tränen«), erstmals in einer Komödie des Terenz benutzt, von Cicero und Horaz aufgegriffen.

18.17
hic niger est

Aus Horaz’ ›Satiren‹ (I, 4, 85):

Hic niger est, hunc tu, Romane, caveto

In Wielands Übersetzung:

den nenn ich schwarz,
vor dem, ihr Römer, seyd auf eurer Huth!

18.28
Potz Sand & Kotzebue!

Der Burschenschafter Karl Ludwig Sand ermordete am 23. März 1819 den Schriftsteller August Kotzebue.

19.6
Mestizen; […] Octavonen .....

Karl Richter bezieht sein Wissen aus dem Artikel ›Menschenracen‹ des Pierer.

19.15
Du : kommt nich beim Keller anne ‹Zambo=Maria› vor?

In Kellers Novelle ›Don Correa‹, die Teil des Zyklus’ ›Das Sinngedicht‹ ist.

20.12
Manche Winde sind wie mein Sohn

Zitat aus Rilkes ›Sonette an Orpheus‹ (2. Teil, 1. Sonett):

Atmen, du unsichtbares Gedicht!
Immerfort um das eigne
Sein rein eingetauschter Weltraum. Gegengewicht,
in dem ich mich rhythmisch ereigne.

Einzige Welle, deren
allmähliches Meer ich bin;
sparsamstes du von allen möglichen Meeren, –
Raumgewinn.

Wieviele von diesen Stellen der Räume waren schon
innen in mir. Manche Winde
sind wie mein Sohn.

Erkennst du mich, Luft, du, voll noch einst meiniger Orte?
Du, einmal glatte Rinde,
Rundung und Blatt meiner Worte.

22.18
Aber jetz kam er, unverkennbar ER, DER HELD: Alabama=Dillert!

Vgl. dazu Arno Schmidts Besprechung von James Jones’ Roman ›Some came running‹:

die, mit Abstand, einprägsamste Figur ist […] ist Alabama=Dillert!

›Von deutscher Art und Kunst‹, BA III, 4, S. 9–16, hier: 13 f.

22.24
MARGOLF schrie der Häher. : »Die verzehren junge Kreuzottern.« informierte ich sie

»Margolf« ist eine ältere Bezeichnung für den Eichelhäher. – Meyers 1905:

Er nährt sich von Eicheln, Bucheckern, Haselnüssen, jagt junge Kreuzottern, Vögel, Mäuse und Insekten, zerstört zahlreiche Nester und wird dadurch sehr schädlich.

23.29
Mach’ Deine Rechnung mit dem Himmel, Mamsell

Anspielung auf Schillers ›Wilhelm Tell‹ (IV.3):

Mach deine Rechnung mit dem Himmel, Vogt,
Fort mußt du, deine Uhr ist abgelaufen.

23.36
respice finem

Lt., »Bedenke das Ende«

24.3
der Gong für Gewöhnliches wogte dreimal, ja flutete. Und dann der volle, hinreißend=singende Bariton des Ansagers : »Die zwölfte Schtunde für alle Schterblichn! – Finsternis auf Erden; Licht über den Schternen. Der Mensch sei gerecht; Gott aber ist barm=herzich : Kommt in die Kantine!«

Karl May, ›Ardistan und Dschinnistan II‹, S. 465:

Da wurden draußen die Gebetsbretter erst sechsmal und dann zwölfmal angeschlagen, und die halb singende Stimme des Muezzin ertönte:

»Es ist Mitternacht! Die sechste und die zwölfte Stunde für alle Sterblichen. Finsternis auf Erden; Licht über den Sternen. Der Mensch sei gerecht; Gott aber ist barmherzig!«

24.9
Dieser Dichter iss aber wirklich total molum

molum (jiddisch): betrunken

24.29
und galumphierte dann nebenher

to galumph = (einher)stolzieren. Das Wort wurde von Louis Carroll geprägt, der es in seinem Gedicht ›Jabberwocky‹ benutzt:

One, two! One, two! And through and through
The vorpal blade went snicker-snack!
He left it dead, and with its head
He went galumphing back.

s. auch 263.26

25.12
Auch die rauhe Krähe oben rezensierte mich gleich: »Mänsch; mänsch=mänsch!«

Marius Fränzel sieht hier eine mögliche Anspielung auf August Klingmanns ›Nachtwachen von Bonaventura‹ (10. Nachtwache) hin:

Der Pförtner an der äussern Mauer war ein alter tiefsinniger Menschenhasser […].

Er saß in seiner Hütte bei einer Lampe, in der Gesellschaft eines schwarzen Vogels dem er eine Kappe über den Kopf gezogen hatte, und mit ihm in Unterredung war.

[…]

»Mensch!« krächzte das Thier auf eine unangenehme Weise.

»Der Schwarze spricht weiter kein Wort – sagte der Pförtner – aber er beantwortet deshalb doch jede meiner Fragen auf das treffendste. – Geh schlafen, Schwarzer!«

Der Vogel rief noch dreimal Mensch aus, und sezte sich dann, wie wenn er tiefsinnig nachdächte in eine finstere Ecke – er schlummerte aber nur.

26.19
»Na; Gautsch=Geselle?«. – Und Williams drohte nur mit der Faust; (die 4 ‹Papiermacher› hatten’s ooch nich leicht! […])

Meyer Großes Konversationslexikon:

Gautschen, in der Papierfabrikation das Übertragen des frisch geschöpften Bogens auf den Filz (s. Papier); dann soviel wie gaukeln, hänseln. Buchdrucker g. hier und da den Neuling, indem sie ihn auf einen nassen Schwamm setzen, worauf ihm eine Urkunde, der Gautschbrief, gegen Zahlung eines Trunkes ausgestellt wird, ein aussterbender Überrest alter Handwerksgebräuche.

26.27
Durch das ‹Eiserne Thor› wurden eben die 40 Astronomen eingeschleust.

Das »Eiserne Tor« ist ein schwer passierbares Durchbruchstal der Donau in den südlichen Karpaten. – Es wird etwa bei Jules Verne in ›Das Karpathenschloß‹ erwähnt:

Mit seinen dem Ackerbau erschlossenen Hochebenen […] wird Transsylvanien […] von zahlreichen Wasserläufen durchzogen, von Zuflüssen der Theiß und der stolzen Donau, in der das sogenannte Eiserne Thor wenige geographische Meilen weiter im Süden den Abfall der Balkankette zwischen der Grenze Ungarns und des osmanischen Reiches verschließt.

Via Google Books stößt man allerdings auch auf andere mögliche Bedeutungen, die hier vielleicht eher in Betracht kommen, da im Roman ja ein reales eisernes Tor gemeint ist.

27.33
Aber dann mußte ich doch wieder seufzend mein Nil humani denkn

Lateinische Redewendung aus Terenz’ ›Heautontimorumenos‹ (77) (›Selbstquäler‹):

Homo sum. Humani nil a me alienum puto.

(»Ich bin ein Mensch, nichts Menschliches ist mir fremd.«)

28.11
..... mit Fred Hoyce, dem Kultusminister.

Theodor Heuss (1884–1963) war 1945/1946 erster Kultusminister von Württemberg-Baden und von 1949 bis 1959, also während der Niederschrift des Romans, Präsident der BRD. Die Schreibweise des Namens lässt James Joyce anklingen.

28.22
Kriexminister O’Strich

Ostrich, engl. = (Der Vogel) Strauß. Franz Josef Strauß (1915–1988) war von 1956 bis 1962, also während der Niederschrift des Romans, Verteidigungsminister der BRD.

28.25
Präsident Mumford

Vermutlich Anspielung auf Lewis Mumford (1895–1990); amerikanischer Architekturkritiker und Soziologe; schrieb ›The Story of Utopias‹ (1922).

28.35
Und schauen; auf das nicht=beherrschte Samos hin .....

Anspielung auf Schillers Gedicht ›Der Ring des Polykrates‹:

Er stand auf seines Daches Zinnen,
Er schaute mit vergnügten Sinnen
Auf das beherrschte Samos hin.
»Dies alles ist mir untertänig«
Begann er zu Ägyptens König,
»Gestehe, daß ich glücklich bin.«

30.12
»Soll ich mich etwa schon wieder turlupinieren lassen?!«

Pierer:

Turlupin (spr. Türlüpäng), 1) Bühnenname des zur Zeit Ludwigs XIII. lebenden Komikers Belleville in Paris. Davon 2) Possenreißer, fader Witzling, Schwätzer, u. Turlupinade, Witzelei, Possenreißerei; Turlupiniren, witzeln, Jemand zum Besten haben, foppen; […].

31.10
die sogenannte ‹RUSSKAJA PRAWDA›, das Gesetzbuch eines gewissen Jaroslaw von Nowgorod […] Von Ein=Tausend; und Siebzehn.

Russische Gesetzessammlung; die älteste erhaltene Abschrift stammt aus dem Jahr 1282. Die falsche Datierung übernahm Schmidt vermutlich aus dem ›Pierer‹ (BVZ 23.1).

31.13
»‹Wer kann wider Gott & Nowgorod?›«

Russisches Sprichwort aus der Blütezeit Nowgorods.

31.15
‹SOBORNOJE ULOSCHENJE ZAKONN› von 1649

Erste gedruckte Gesetzsessamlung des Staates Moskau; Schmidts Quelle ist der ›Pierer‹ (BVZ 23.1).

33.9
Under the spreading chestnut=tree […]

Beginn von Henry Wadsworth Longfellows Gedicht ›The Village Blacksmith‹ (1841).

Under a spreading chestnut-tree
The village smithy stands;
The smith, a mighty man is he,
With large and sinewy hands;
And the muscles of his brawny arms
Are strong as iron bands.

33.39
SAAT DER GEWALT

Roman von Evan Hunter, Originaltitel: ›The Blackboard Jungle‹. – Schmidt hatte bis dato zwei Romane von Hunter übersetzt: ›Aber wehe dem einzelnen‹ (1957, ›Second Endig‹) und ›An einem Montag Morgen‹ (1959, ›Strangers When We Meet‹). Während der Arbeit an ›Kaff‹ schloss er die Arbeit an der Übersetzung von ›Recht für Rafael Morrez‹ ab (1960, ›A Matter of Conviction‹). Die Übersetzung von ›The Blackboard Jungle‹ wurde ihm erst am 21. April 1960 angeboten (s. BHW, S. 246). Da der Roman erst 1967 auf deutsch erschien (übersetzt von Gerhard Vorkamp), zitiert Schmidt hier die Romanverfilmung, die am 28. Oktober 1955 als ›Saat der Gewalt‹ in die dt. Kinos kam.

34.4
Unsere einschlägigen Herren wußten allenfalls die Tensor=rechnung zu handhaben

 Wikipedia:

Ein Tensor ist eine mathematische Funktion, die eine bestimmte Anzahl von Vektoren auf einen Zahlenwert abbildet.

35.5
Du Gannef!

Jiddisch: Gauner, Dieb, Landstreicher.

35.14
Hätte man vorhin vielleicht doch dem Justizminister helfen sollen, 1 Gesetz gegen Beleidigungen durchzupeitschen; ‹Verächtlich= & Lächerlich=Machung›, ‹Rufmord›: man ist immer zu gut.

Anfang Januar 1959 legte die Bundesregierung eine Neufassung des § 130 StGB (»Volksverhetzung«) vor, die vorsah, dass wer »zum Haß gegen andere aufstachelt, die er als nationale, rassische, religiöse oder durch Volkstum bestimmte Gruppe treffen will, sie beschimpft oder böswillig verächtlich macht« mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft werden sollte. – Am 26. Januar 1959 notierte Schmidt in seinem Tagebuch:

Nachrichten: Gesetz gegen ›Verächtlich= bzw. Lächerlichmachung von Religionen, Völkern, etc.‹??: Die Dummheit will sich als unangreifbar konstituieren!

38.2
Oh krüpplichte Unschterblichkeit, die unser jämmerliches Ich, mit all seinem Unrat, so dünn & kläglich, ins Unendliche fortschpinnen möchte!

Der Tod – so dämmert’s mir – er soll vielleicht,
Er, der von uns so gar nichts übrig lässt, –
Vielleicht Symbol seyn dieser Selbstverläugnung –
Vielleicht noch mehr … – vielleicht – Ich hab’ es, Alter!
Die krüpplichte Unsterblichkeit – nicht wahr? –
Die unser eignes jämmerliches Ich
So dünn und kläglich – so mit allem Unrath
Nur fortspinnt in’s Unendliche – nicht wahr? –
Auch sie muss sterben?

Zacharias Werner, ›Die Söhne des Thales. Ein dramatisches Gedicht. Zweiter Theil: Die Kreuzesbrüder‹ (V, 3)

38.40
Chorografica aller Art

Pierer:

Chorographie (v. gr.), Beschreibung einer Landschaft, Gegend u. deren größeren Theile. Daher Chorograph, der sich dieser Beschreibung widmet; Chorographische Karten, Karten von Districten; so Karten der Departements Frankreichs, der baierschen Landgerichte, der preußischen Regierungsbezirke.

40.7
Schtarkbehaarte Sassen

Die Bedeutung von »Sasse« ist unklar, die einschlägigen Lexika verzeichnen es sowohl für »Sachse« als auch für »Grundeigentümer«.

40.7
Kerls mit ungeschnobenen Nasn: Flotzmäuler

Meyer:

Flotzmaul (Nasenspiegel) des Rindes, das breite Zwischenstück zwischen den Nasenlöchern, das[ abwärts in die Oberlippe übergeht. Die Haut des Flotzmaules ist haarlos, aber reich an Drüsen und deshalb beim gesunden Rind stets feucht.

40.16
GROTE= und EICHHORN=Kaffee

Namen zweier Kaffee-Röstereien: Ernst Grote AG, Hannover, und Fa. Ferdinand Eichhorn, Braunschweig.

40.24
Bakkalaureus Magister Heißedoktorgar

Bakkalaureus ist der niedrigste akademische Grad; die Stelle selbst eine Anspielung auf Goethes ›Faust I‹:

Heiße Magister, heiße Doktor gar

41.18
Rumpf & Erinnerunk werden Einem leicht zur Last

Am 13. Juli 1957 notierte Arno Schmidt in seinem Tagebuch:

Rumpf & Erinnerung werden einem zur Last!

41.30
Immer fleißichfleißich, Herr Pineis

Zitat des Schlusses von Gottfried Kellers Novelle ›Spiegel, das Kätzchen‹:

Herr Pineiß aber führte von nun an ein erbärmliches Leben; seine Gattin hatte sich sogleich in den Besitz aller seiner Geheimnisse gesetzt und beherrschte ihn vollständig. Es war ihm nicht die geringste Freiheit und Erholung gestattet, er mußte hexen vom Morgen bis zum Abend, was das Zeug halten wollte, und wenn Spiegel vorüberging und es sah, sagte er freundlich: »Immer fleißig, fleißig, Herr Pineiß?«

42.33
Und an dem zweiten wär’ schon ma n ‹Tückebote› gesehen worden: früher

Norddeutsche Bezeichnung für ein Irrlicht.

43.6
Geboren am Tage der Schlacht von Bannockburn

Die Schlacht von Bannockburn war eine der entscheidenden Schlachten in den schottischen Unabhängigkeitskriegen und fand am 24. Juni 1314 statt.

43.10
»Wenn Du sie ärgern wills,« verriet ich noch, »mußtu sie ‹Adelaïde› nenn’.«

Evtl. Anspielung auf ›Adélaïde‹ von Gobineau; s. dazu: Ira Lorf, ›Adélaïde, oder: Nomen est omen‹ in BB Lfg. 107–108.

43.13
Anny Wothe, oder Panhuys

Anny Wothe-Mahn (1858–1917) und Anny Panhuys (1879 – nach 1941) waren Autorinnen zahlreicher Romane, Erzählungen und Novellen. Zu Panhuys s.a. S. 210.25.

44.11
ich bin ja, seit ich mit 15 Jahren Sir Jaghadis Chandra Bose las, ooch gegen diese Herren Vegetarier

Jagadish Chandra Bose (1858–1937) war ein indischer Naturwissenschaftler; vgl. a. ›Der sanfte Unmensch‹ (BA II, 2, S. 74):

Und ich möchte bei dieser Gelegenheit, einmal ausdrücklich die Herren Vegetarier daran erinnern, wie einer ihrer Vormänner, Bernard Shaw, so abgesägt=unglücklich dreinschaute, als Sir Jagadis Chandra Bose ihm experimentell vorführte, wie sich sein geliebtes Gemüse qualvoll krümme, und unter heftigen Konvulsionen sterbe, wenn es von ihm zu Tode gebrüht werde!

Vgl. dazu auch ›Zettel’s Traum‹ (BA IV, 1, S. 313 f.)

44.31
Hertha war geräuschempfindlich; mindestens wie Leisewitz

In ›Der Dichter und die Kritik‹ (BA III, 3, S. 339) schreibt Schmidt:

Zugegeben; Johann Anton Leisewitz war ein komischer Kauz. Von unglaublich nervöser Reizbarkeit: als 1780 sein Herzog Karl von Braunschweig begraben wurde, flüchtete er vor dem Schießen der Soldaten; als er ein andermal in ein Dorf gehen wollte, und am Ortseingang von einer Schaar Hunde angebellt wurde, kehrte er um.

45.16
‹Und immer fragt der Seufzer: Wo ?› ‹Schmidt von Lübeck›

Anspielung auf ›Des Fremdlings Abendlied‹ von Georg Philipp Schmidt (genannt »Schmidt von Lübeck«), von Franz Schubert als ›Der Wanderer‹ vertont. In ›Fouqué und einige seiner Zeitgenossen‹ zitiert Fouqué diese Zeile, Schmidt gibt in der Fußnote die Quelle an (BA III, 1, S. 267 f.):

Die oben […] angeführte Verszeile stammt übrigens aus einem Gedicht des Georg Schmidt (genannt ‹von Lübeck›; 1766–1849): »Ich wandle still, bin wenig froh, / und immer fragt der Seufzer : ‹Wo?› / Im Geisterhauch tönt’s mir zurück : / ‹Dort, wo Du nicht bist, ist das Glück!› –«.

45.16
‹Komet=komet, wir sehn Dich wallen›

Anspielung auf Fouqués ›Zauberring‹:

Jetzt tönt ein freud’ger Sang von Allen,
Steigt zuversichtlich himmelwärts;
Panier, Panier, wir sehen dich wallen,
Bist König Richard Löwenherz!

47.16
‹Haine à la Royauté›

»Hass auf die Regierung«; während der französischen Revolution oft benutzte Formulierung.

47.38
Ne pouvant me corrompre, ils m’ont assassiné

»Sie konnten mich nicht korrumpieren, sie haben mich getötet.« Der Satz stand unter dem Gemälde ›Der Tod des Marat‹ von Jacques-Louis David.

47.40
und weiter ging der helleborose Farrago

»Helleborus« ist der lateinische Name für »Nieswurz«, »farrago« ist englisch für »Durcheinander / Mischmach«; vgl. auch S. 96.21:

»Was hasdu heut Nachmittag eigntlich mit dem ‹helleborosn Farrago› gemeent?«; Hertha; tiefsinnich.: »Einen ‹nieswurzwürdijen Mischmasch›.«

48.15
‹Schpalterflagge› ? : »[…] Hammersichelährenkranz […].«

Die Fahne der DDR wurde in den fünfziger Jahren in der BRD als »Spalterflagge« bezeichnet. Sie zeigt allerdings Hammer, Zirkel und Ährenkranz.

48.18
Die Teretismata eines Bischofs über ‹Obrichkeit› : Dibelius soll sein Name sein

Der ev. Bischof Otto Dibelius (1880–1967) war Befürworter der Wiederbewaffnung und unterzeichnete 1956 den Militärseelsorgevertrag. Seine Schrift ›Obrigkeit? Eine Frage an den 60jährigen Landesbischof‹ ist im Internet verfügbar.

Am 20. Januar 1959 bittet Schmidt Wollschläger um eine Auskunft zu Heinrich Dittmar, einem Redakteur der ›Neuen Ruhr Zeitung‹. Wollschläger antwortet am 5. Februar (BHW, S. 108):

Ja, und fromm ist er auch noch: wie es der Presse wieder einmal ziemt: wenn man seinen Ausführungen glauben darf, so ist es sein höchster Wunsch auf dieser Erde, Sie einmal mit dem Bischof Dibelius (einem ordentlichen Mann, ohne Zweifel) zu konfrontieren, auf daß er Sie bekehre!

Das Wort »Teretismata« (gr. Kunstwort für unsinniges, sinnloses Gerede) hat Schmidt vermutlich in Herders ›Eine Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft‹ gefunden, der Aristoteles zitiert (Hinweis von Günter Jürgensmeier; lt. Tagebuch las Schmidt die ›Metakritik‹ am 17. November 1959, also während der Arbeit an ›Kaff‹):

Blendwerke hingegen, Noumenen als Dinge an sich gedacht, Anticipationen des Verstandes vor aller Erfahrung, dieß sind »Gedankendinger,« die Aristoteles schon τερετισματα [teretismata], d.i. Cikadengezwitscher nannte.

48.19
Ein Blatt wie Fauchet’s ‹EISENMUND› fehlt uns

Gemeint ist das von François-Claude Fauchet begründete demokratische Journal ›Bulletin de la Bouche de fer‹ (1790–1791).

48.20
Obwohl die ANDERE ZEITUNG in ihrer Art gar nicht schlecht ist.

›Die Andere Zeitung‹ war eine linke Wochenzeitung, die von 1955 bis 1969 in Hamburg erschien. Von 1956 bis 1962 schrieb Schmidt rund 20 Beiträge für das Blatt.

48.22
Lambe mihi!

Latein: »Leck mich!«

48.25
daß sich ein Mann, wie der Gerhard Eisler da=hinschtellen, und es auf gut=Deutsch gelassen ausschprechen kann : daß unser Herr Bundeskanzler Dies & Das wäre

Der Journalist und SED-Politiker Gerhad Eisler (1897–1968) war von 1956 bis 1962 stellvertrender Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Rundfunk und moderierte im Radio das ›Sonntagsgespräch des Deutschlandsenders‹.

48.46
ich hör’ jeden Abmd mein Leipzich=lob=ich=mir!

Anspielung auf Goethes ›Faust I‹, Auerbachs Keller, Vers 2171 f.:

Frosch.
Wahrhaftig du hast Recht! Mein Leipzig lob’ ich mir!
Es ist ein klein Paris, und bildet seine Leute.

49.1
Schon mehrfach gedachte die Dummheit, sich als unangreifbar zu konstituieren

S. Kommentar zu S. 35.14.

49.2
‹bundeseigene Sender›

Konrad Adenauer versuchte Ende der 50er-Jahre ein vom Bund kontrolliertes zweites bundesweites Fernsehprogramm zu etablieren, das von einer »Deutschland-Fernsehen GmbH« getragen werden sollte. Die Gründung einer solchen GmbH wurde erst vom Bundesverfassungsgericht am 28. Februar 1961 als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar verworfen.

49.3
Und der schpanische Außenminister Castiella wurde in Bonn fêtiert

Der spanische Politiker Fernando María Castiella y Maíz (1907–1976) war von 1957–1969 spanischer Außenminister, 1958 erhielt er das Bundesverdienstkreuz, im November 1959 war er zu Besuch in Deutschland, es kam zu Protestaktionen, für die sich die dt. Regierung entschuldigte.

49.24
Und der russische LUNIK III kreiste indes unermüdlich

Russische Mondsonde, die am 4. Oktober 1959 gestartet wurde. Nach einer Mondumrundung verglühte sie im April 1960 in der Erdatmosphäre, kreiste also mitnichten »unermüdlich« (was Schmidt bei der Abfassung des Romans allerdings nicht wissen konnte). Die Sonde lieferte die ersten Fotos von der erdabgewandten Seite des Mondes; vgl. auch S. 12:

»Mänsch, iss das lankweilich! – Gipp ammall BILD.« / Es enthielt eben die unschätzbare russische Aufnahme von der Mondrückseite […]

Am 18. Oktober 1959 notierte Schmidt in seinem Tagebuch:

Mond rot auf; (die Russen haben Aufnahmen v. d. Rückseite! Heut ~ 17h war der ›Lunik‹ in Erdnähe ~ 48.000 km)

Am 27. Oktober 1959 schrieb Schmidt an Michels (BWM, S. 134):

Heute soll die Tass das erste Foto von der Mond=Rückseite gebracht haben

49.30
»Naja: Wie Benjamin Franklin vom Luftballon sagte: ‹Das Kind ist nun einmal passiert – laßt uns ihm wenichstns eine gute Erziehunk gebm.›«

Am 27. August 1783 ließ Jacques Alexandre César Charles in Paris einen Gasballon aufsteigen. Unter den Zuschauern war auch Benjamin Franklin, der zui der Zeit amerikanischer Botschafter in Frankreich war. Auf die frage, welchen Zweck die neue Erfindung habe, soll er geantwortet haben: »Welchen Zweck hat ein neugeborenes Kind?«

51.34
Und schpähtn angeschtrengt : wie sich da eine Schattenhaftichkeit dauernd blitzschnell verneigte

›Vom neuen Großmystiker‹ (Dialog, Januar 1956, BA II, 1, S. 231):

Wenn May an verwickelten Traumtüren eine »dunkle Schattenhaftigkeit sich tief verneigen« läßt, so wurde aus dem so glücklich geprägten, larvenhaft=vielgliedrigen, grotesk auf ‹i› geknickten Wort, ein stümperhaft=nichtssagender ‹Schatten›.

Ähnlich auch in: ›Vom neuen Großmystiker‹ (Essay, Januar 1957, BA III, 3, S. 336), ›Abu Kital. Vom neuen Großmystiker‹ (November 1957; BA II, 2, S. 58), Brief an Roland Schmid (KMV) vom 13. Januar 1956 (BHW, S. 861), Brief an Wollschläger vom 16. März 1958 (BHW, S. 50).

51.38
vieux bagmate

Französisch/Englisch, etwa: Alte Schlampe. Partridge definiert »bagmate« in seinem ›Dictionary of Historical Slang‹ folgendermaßen (zitiert nach BB 17–18):

A Woman, esp. a middle-aged or elderly slattern (that old bag); in certain contexts, a slatterny prostitute or parttime prostitute.

53.8
»Keine Eier?!«: wie ein Schtier brüllte Dschordsch im Korridor.

Vermutlich Anspielung auf George Bernhard Shaws ›Saint Joan‹ (Hinweis von Günther Flemming):

ROBERT. No eggs! No eggs!! Thousand thunders, man, what do you mean by no eggs?

53.11
‹archly›; was durch ‹bogenförmich› wiederzugeben verfehlt wäre

Vergleiche dazu Schmidts Polemik gegen Goyerts ›Ulysses‹-Übersetzung in ›Der Bogen des Odysseus‹ (Juli 1957; BA II, 2, S. 18):

A: […] Eine Blumenverkäuferin, die den feinen Herrn becircen will, führt ihm zu diesem Zweck ihren Körper vor, bending archly – und Goyert transponiert flink »sie beugte sich bogenförmig« .....

B.: Und es müßte in Wahrheit heißen? .....

A.: Damit er ihr in den Blusenausschnitt gucken kann? : Sie bückte sich durchtrieben!

Ähnlich auch in ›Ulysses in Deutschland‹ (September 1957; BA II3, 3, S. 377); s. auch S. 60

55.39
allwo 1 frecher Geist uns, dreist, mit des leeren Fasses Klang, pro Kopf 1 Deutsche Mark abverlangte

Die Theateraufführung hat ihr Vorbild in einer Schüleraufführung im Wirtshaus Bangemann, die Schmidts am 21. Februar 1959 besuchten; gespielt wurde ›Der Schweinehirt‹ nach einem Märchen von Hans Christian Andersen. Schmidt hob den Theaterzettel auf (s. Bildbio, S. 347), dort ist als Eintrittspreis vermerkt:

Erwachsene: 0,80 DM. Wem der Preis zu hoch ist, zahlt weniger

Vgl. zudem den Brief des Mathematikers Wolfgang Bolyai an Sartorius von Waltershausen vom 13. Juli 1856 (der Brief wird auch auf S. 129 zitiert):

Von Jena ging ich nach Gottingen: wo ich den sehr gütigen Professor Seyffer besuchend Gauss zuerst sah – ich als unwissender Selbstdenker sprach dreist (mit des leeren Fasses Klang) über die Seichtigkeit der Behandlung der Gründe der Mathematik […]

Schmidts Quelle dürfte Erich Worbs, ›Carl Friedrich Gauss‹ (BVZ 963.3) sein; dort findet sich auch ein beigelegter Zettel, auf dem Schmidt notierte: »Nachtprogramm: der Briefwechsel Gauß=Bolyai«.

56.1
na, für so viel Wampum wird ja dann auch Einijes gebotn werdn müssn.

Wampum ist die Bezeichhnug für ein Zahlungsmittel nordamerikanischer Ureinwohner, bestand aus Perlen und Muscheln.

›Nebenmond und rosa Augen‹ (September 1959; BA I, 4, S. 139):

‹much wampum for little word›

›Windmühlen‹ (August 1960; BA I, 3, S. 283):

viel zu sehen für wenig Wampum.

»Wampum« oder »Wampun« taucht auch bei May gelegentlich auf, etwa in ›Old Firehand‹, ›Winnetou II‹, ›Satan und Ischariot II‹, ›Old Surehand I‹, ›Old Surehand III‹ und ›Der Schatz im Silbersee‹. Hier bezeichnet es ein Erkennungszeichen, das als heilig angesehen wird.

56.19
mit völlich verglaubtn Gesichtern

Günther Flemming weist auf ein Zitat aus Leopod Schefers ›Göttliche Komödie in Rom‹ hin:

Die junge Welt verliebt sich – die alte Welt hat sich verglaubt

Vgl. auch Leopold Schäfers ›Die Sibylle von Mantua‹:

»So hör’ ich Dich gern, mein Sohn,« sagte der Vater. »Es ist richtig, gerade aus der größten Verwirrung kommt Klarheit. Wie man sich verlieben kann, so kann man sich auch verglauben. Und die Welt hat sich bisher verglaubt; – nun wird sie sich dem Kaiser zu Liebe verlieben in Ritter und Sänger.«

56.31
Das Gesicht seidenweiß & schtarr, Aghaid sneachda, halb Schnee halb Mond.

In James Macphersons ›Ossian‹ heißt eine Königstochter Agandecca, deren Name sich vom gälischen »Aghaid sneachda« (Gesicht des Schnees, schneeweißes Gesicht) herleiten soll.

57.19
»[…] Und den Korkn=hintn etwas fester schteckn!« fügte ich ärgerlich hinzu; denn meinem Herrn Nachbarn flog er eebm, mit gut hörbarem POPP, heraus.

›Der Triton mit dem Sonnenschirm‹ (BA II, 3, S. 59):

Seite 310, unten, [von ›Finnegans Wake‹] finden Sie die Fortführung der Beschreibung: wie der Held, allein gelassen, mit einem gut=hörbaren ‹Popp› den Stopfen aus ‹Lough Neagh› zieht

57.25
As no man can draw in his breath at once, and force air out beneath.

Zitat aus Samuel Butlers satirischem Epos ›Hudibras‹ (zwischen 1660 und 1680 geschrieben; Zeile 313-316)

Have you not power to entertain,
And render love for love again;
As no man can draw in his breath
At once, and force out air beneath?

57.26
Die gelbe, langhändije Betze neben ihm grüßte seine Leistunk anerkennend mit Zähnn.

Pierer:

Betze, der weibliche Hund, Fuchs, Wolf etc.

58.29
‹Erster Akt: 1 Zimmer›

Bei dem Theaterstück, das die Schulkinder aufführen, handelt es sich um die einaktige Posse ›Der Komet‹ von August Wilhelm Iffland. – Am 21. Februar 1959 besuchten Arno und Alice Schmidt in Bargfeld die Schulaufführung von ›Der Schweinehirt‹ nach dem gleichnamigen Märchen von Hans Christian Andersen. Schmidt hob den Theaterzettel auf (vgl. Bildbiographie, S. 347).

58.39
‹Als Lampe 1 Zinnbecher voll Seehunztran, in dem brennendes Moos schwimmt›: wo hatte ich das ma gelesn?

Anspielung auf George Kennans ›Zeltleben in Sibirien‹ (Reclam, Leipzig o.J., S. 134):

… werden die Zelte in kleine dichte Zellen, »Pologs« genannt, abgeteilt […]. Sie werden aus den schweren Pelzen hergestellt und durch brennendes Moos, das in einem mit Seehundsthran gefüllten Gefäß schwimmt, beleuchtet und erwärmt.

60.20
wenn ich beim Namen GERHART HAUPTMANN bloß nich immer an das wahnwitzije Foto denken müßte, ‹Als Bild=Hauer in Rom›

Anfang der 1880er-Jahre versuchte Gerhart Hauptmann vergeblich, sich als Bildhauer in Rom zu etablieren. Ein Foto ›Gerhart Hauptmann als Bildhauer in Rom 1883‹ findet sich etwa in Soergel/Hohoff, ›Dichtung und Dichter der Zeit‹, Bd. 1, S. 151, den Schmidt besaß (BVZ 446.3).

60.33
(Sie drückte sich, ‹archly›, an ihn.)

s. Kommentar zu S. 53.11

60.36
Rechtn Linkn, Schpeck & Schinkn

Zitat aus Otto Julius Bierbaums ›Zäpfel Kerns Abenteuer‹:

Rechten! Linken! Rechten! Linken!
Speck und Schinken! Speck und Schinken!
Linken! Rechten! Linken! Rechten!
Finken! Spechten! Finken! Spechten!
Hin und her, herum, heraus!
Durch die Türe aus dem Haus!

61.1
der greise Oberförster, ‹Hugo› war sein Name,

Anspielung auf eine in unzähligen Variationen existierenden Endlosgeschichte, die mit »Ja, ja, sprach der alte Oberförster, Hugo war sein Name« beginnt.

61.63
Höchstwahrscheinlich schtammte sie ja auch noch aus Peter Henleins Werkschtatt

Der Schlossermeister Peter Henlein ( 1480/1485–1542) gilt als Erfinder der tragbaren Uhr.

62.7
Und wandte den enormen Kopf : langsam; wie Löwen pflegen .....

Vgl. ›Was soll ich tun?‹ (1956; BA I, 4, S. 70)

Oh, der Zeitungsroman, der Zeitungsroman! Neulich stand mitten im Text die nichtswürdige Wendung : »… er wandte den Kopf, langsam, wie Löwen pflegen …« – am nächsten Morgen machte die Hälfte der Mitfahrer den Eindruck, als hätte sie Genickstarre; sie blinzelten und schnarchten verächtlich verzögert.

62.37
Und der Alguazil, abgehend: […]

Spanisch, ein Alguazil ist ein Gerichts- und Polizeidiener.

64.24
‹auf 2 Beinen schtehe; obm sey 1 Kopf›

Zitat aus Goethes ›Zauberlehrling‹:

Und nun komm, du alter Besen!
Nimm die schlechten Lumpenhüllen;
Bist schon lange Knecht gewesen;
Nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe,
Oben sei ein Kopf,
Eile nun und gehe
Mit dem Wassertopf!

64.30
denn wer keck ist & verweegn

Aus Goethes ›Antworten bei einem gesellschaftlichen Fragespiel‹:

Geh den Weibern zart entgegen,
Du gewinnst sie, auf mein Wort;
Und wer rasch ist und verwegen,
Kommt vielleicht noch besser fort;
Doch wem wenig dran gelegen
Scheinet, ob er reizt und rührt,
Der beleidigt, der verführt.

Diese Strophe ist bei Googel Books auch in der Form nachweisbar, in der Schmidt sie zitiert (›Der Wanderer‹, Nr. 264, 21. September 1831):

Komm den Weibern zart entgegen,
Du gewinnst sie, auf mein Wort;
Doch wer keck ist und verwegen,
Kommt fürwahr noch besser fort!

64.33
Und schon nahm ich die Hand vom Kostümrock: dem Pudl, wenn er gut gezogn .....

Anspielung auf Goethes ›Faust I‹, Vers 1174 f.:

Wagner
Dem Hunde, wenn er gut gezogen,
Wird selbst ein weiser Mann gewogen.

Der Hund, auf den Wagner sich hier bezieht, ist Mephistopheles in der Gestalt eines Pudels.

66.9
manchon

Frz.: Muff, Manchette.

66.23
»Der ‹Egelprinz› bei ETA Hoffmann?: 1 fallisches Symbol.«

Der »Egelprinz« ist eine Figur in E. T. A. Hoffmanns Märchen ›Meister Floh‹; s.a. ›Nebenmond und rosa Augen‹ (BA I, 4, S. 139), ›Sitara und der Weg dorthin‹ (BA III, 2, 270), ›Zettel’s Traum‹ (BA IV, 1, S. 505 u. 1158).

67.14
»MÄCK=BÄSS – oh shiver my timbers. – Ich weeß: das schteht nie drinne.«

»Shiver my timbers« (auch: »Shiver me timbers«) ist ein Ausruf des Erschreckens oder Erstaunens, der in der Literatur häufig Piraten zugeschrieben wird. Populär wurde der Ausruf durch Long John Silver in Stevensons ›Treasure Island‹; s.a. S. 82.

67.30
Wandering Willies Tail

Vgl. ›Aus dem Leben eines Fauns‹ (BA I, 1, S. 363):

‹Wandering Willie’s Tale› aus »Redgauntlet«: das ist eine prachtvolle Geschichte, und viel zu gut, als daß man heute nicht auf sie hinweisen sollte; heute, wo Alles kolbenheyert und thoraxt (oder präziser: mittelmäßigt!).

67.33
Auch zu wissen verlangte, ob es sich bei den Lichtschpitzn […] nicht um das Über=Schternbild des Orion handele? / Und sie also wieder sehen könne? – Natürlich sagte ich »Nein.«; aber er war es schon, persönlich, Kedalion auf der Schulter.

Orion ist in der gr. Mythologie ein riesenhafter Jäger, der zur Strafe geblendet wurde. Der Schmied Kedalion, Gehilfe des Hephaistos, saß auf Orions Schultern und führte ihn zum Sonnenaufgang, wo Eos Orions Sehkraft wiederherstellte.

68.22
.....: »Nee, wart noch ma: kuck ma, wie der alte Roger Altar ausholt ...« […] erklärte er schpäter, drinnen, den Damen .....

Die gesamte Szene paraphrasiert ein Croquet-Spiel aus Jules Vernes Roman ›Der grüne Strahl‹. Den Namen »Roger Altar« entnahm Schmidt dem Roman ›Strangers when we meet‹ von Evan Hunter. Ein detaillierter Vergleich findt sich in BB 20.

69.12
Und jetzt war die Reihe an Gill: der schprach, halb zu sich, halb zu Uns=Gaffern gewendet, des längeren vom »Taedium des mechanischen Calculs«

In den von Franz Xaver von Zach herausgegebenen ›Monatlichen Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmels-Kunde‹ heißt es im November 1802:

Dr. Gauß schließt seine Berechnung mit folgender Bemerkung: »Bey der großen Mühe, die die Berechnung eines Ortes des Planeten schon nach obigen Störungs-Gleichungen macht, scheint es wol noch eben nicht rathsam, ihre Anzahl schon jetzt durch die Saturns-Gleichungen und durch die von den Quadraten und Producten der Excentricitäten abhängigen beym Jupiter zu vermehren, deren Aufnahme übrigens weiter keine Schwierigkeit, als das Taedium des mechanischen Calculs haben würde […]

70.7
‹Das Paradies der Mauerblümchen›

Anspielung auf Émile Zolas Roman ›Das Paradies der Damen‹.

70.14
(‹Wie 1 Wint auf getäfeltem Mehre tanst› : von Wem war das gleich : von Tennyson oder von Hopkins?)

Weder noch, sondern von Nietzsche (›Also sprach Zarathustra‹, 4. Teil, ›Mittags‹):

Wie ein zierlicher Wind, ungesehn, auf getäfeltem Meere tanzt, leicht, federleicht: so – tanzt der Schlaf auf mir.

70.17
»Von Dem nich, Hertie.« (‹Hermann Tietz›, auch das noch.)

Das Kaufhausunternehmen Hermann Tietz OHG brachte eigene Produkte unter dem Markennamen »Hertie« heraus. Im Zuge der Enteignung der Gründerfamilie Tietz ab Juli 1933 wurde die Kaufhauskette in Hertie GmbH umbenannt.

70.27
..... und Manche schpieltn Kartn: die hattn, vor lauter Apnuzzunk, schon eiförmije Geschtallt.

Günter Flemming weist hier auf die Novelle ›Winkler und Schneidler‹ von Cervantes hin:

In demselben eingewickelt und verwahrt befand sich ein Spiel Karten von eiförmiger Gestalt, denn die Ecken waren durch den Gebrauch abgerieben und jene daher zum Zwecke längerer Dauer beschnitten und in die besagte Form gebracht worden.


s. auch S. 95.4.

70.30
‹Teckstilijn, Teckstilijn: die flanzt’ich auf mein Grab: ja=auf=mein=Grapp.›

Anspielung auf ein Volkslied des 18. Jahrhunderts:

Drei Lilien, drei Lilien
die pflanzt´ich auf mein Grab
Da kam ein stolzer Reiter
und brach sie ab.
Mit Juvi valle ralle ralle ralle ra
da kam ein stolzer Reiter
und brach sie ab

70.40
Und er (kalt; gefühllos; man merkte eben die Satem=Eltern)

In der älteren Sprachwissenschaft wurde die indoeuropäische Sprachfamilie in einen westlichen (Kentum) und einen östlichen Zweig (Satem) aufgeteilt.

71.1
Wenn ich den Wunsch nach einem Imbiß verschpüre, möchte ich nur sagn: »Wascha=wsoki=blagorodjai wiliki präwosch: kodietexwoj tackdalscha.« […] Mein bißchen Einbildunxkraft ‹hakte aus› vor dem Gedanken!

Den Witz hat Schmidt aus Kennans ›Zeltleben in Sibierien‹ (S. 38):

Ich bat daher den Major mich den entsprechenden russischen Ausdruck zu lehren und er antwortete mir, wenn ich zu essen wünsche, so möge ich nur sagen: [»]Waschawsokiblagorodiai wiliki prewoschkoditekswoi takdalschai.« Ich glaube, niemals fühlte ich noch eine derartige hochachtungsvolle Bewunderung vor der Wissenschaft, wie vor jener des Majors, als er diesen außergewöhnlich schwierigen Satz fließend und graziös aussprach. Wie viel Jahre geduldigen Fleißes mußte er verbraucht haben, ehe er in die Lage kam, seine erste Bitte um Nahrung aussprechen zu können! […] Meine Einbildungskraft entsetzte sich bei diesem Gedanken.

Ich sagte dem Major, er möge diesen fürchterlichen Satz auf ein großes Stück Papier schreiben, das er mir um den Halshänge [!], denn erlernen könnte ich ihn nie, ich wollte es auch nicht versuchen. Später kam ich dahinter, daß er meine Unerfahrenheit benutzte, um mir die schwierigsten und längsten Wörter seiner barbarischen Sprache für meinen Zweck anzugeben.

71.13
Weißdu, Freulein Tietz

Hertha heißt mit Nachnamen nicht Tietz, sondern Theunert (erstmals auf S. 17 erwähnt); die Namensgebung Tietz bezieht sich auf den kurz zuvor gefallenen Namen Hermann Tietz; evtl. auch ein Hinweis auf Herthas Arbeitgeber, das Kaufhaus Hertie.

71.26
1 Hakawati=Märchenerzähler mühte sich.

Karl May berichtet in ›Mein Leben und Streben‹ (S. 22) von einem Märchenbuch namens ›Der Hakawati‹, aus dem ihm seine Großmutter vorgelesen habe. Das Buch konnte nicht nachgewiesen werden. In Mays Drama ›Babel und Bibel‹ gibt es die Figur »Der Hakawati (Märchenerzähler)«. – Siehe auch S. 101.

72.8
‹Frank C. Hirsh›=Block

Anspielung auf James Jones’ Roman ›Some Came Running‹ (dt. ›Die Entwurzelten‹), in dem der Protagonist Frank Hirsh davon träumt, dass später einmal ein Stadtviertel nach ihm benannt wird.

72.17
»If you feel ‹bored› –« […] »lesen Sie Psalm 104.«

Psalm 104:

(1) Lobe den HERRN, meine Seele! HERR, mein Gott, du bist sehr herrlich; du bist schön und prächtig geschmückt. (2) Licht ist dein Kleid, das du anhast; du breitest aus den Himmel wie einen Teppich; (3) Du wölbest es oben mit Wasser; du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen und gehst auf den Fittichen des Windes; (4) der du machst Winde zu deinen Engeln und zu deinen Dienern Feuerflammen; (5) der du das Erdreich gegründet hast auf seinem Boden, daß es bleibt immer und ewiglich. (6) Mit der Tiefe deckst du es wie mit einem Kleide, und Wasser standen über den Bergen. (7) Aber von deinem Schelten flohen sie, von deinem Donner fuhren sie dahin. (8) Die Berge gingen hoch hervor, und die Täler setzten sich herunter zum Ort, den du ihnen gegründet hast. (9) Du hast eine Grenze gesetzt, darüber kommen sie nicht und dürfen nicht wiederum das Erdreich bedecken. (10) Du läßt Brunnen quellen in den Gründen, daß die Wasser zwischen den Bergen hinfließen, (11) daß alle Tiere auf dem Felde trinken und das Wild seinen Durst lösche. (12) An denselben sitzen die Vögel des Himmels und singen unter den Zweigen. (13) Du feuchtest die Berge von obenher; du machst das Land voll Früchte, die du schaffest; (14) du lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen, daß du Brot aus der Erde bringest, (15) und daß der Wein erfreue des Menschen Herz, daß seine Gestalt schön werde vom Öl und das Brot des Menschen Herz stärke; (16) daß die Bäume des HERRN voll Saft stehen, die Zedern Libanons, die er gepflanzt hat. (17) Daselbst nisten die Vögel, und die Reiher wohnen auf den Tannen. (18) Die hohen Berge sind der Gemsen Zuflucht, und die Steinklüfte der Kaninchen. (19) Du hast den Mond gemacht, das Jahr darnach zu teilen; die Sonne weiß ihren Niedergang. (20) Du machst Finsternis, daß es Nacht wird; da regen sich alle wilden Tiere, (21) die jungen Löwen, die da brüllen nach dem Raub und ihre Speise suchen von Gott. (22) Wenn aber die Sonne aufgeht, heben sie sich davon und legen sich in ihre Höhlen. (23) So geht dann der Mensch aus an seine Arbeit und an sein Ackerwerk bis an den Abend. (24) HERR, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weislich geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter. (25) Das Meer, das so groß und weit ist, da wimmelt's ohne Zahl, große und kleine Tiere. (26) Daselbst gehen die Schiffe; da sind Walfische, die du gemacht hast, daß sie darin spielen. (27) Es wartet alles auf dich, daß du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit. (28) Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie; wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit Gut gesättigt. (29) Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie; du nimmst weg ihren Odem, so vergehen sie und werden wieder zu Staub. (30) Du lässest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, und du erneuest die Gestalt der Erde. (31) Die Ehre des HERRN ist ewig; der HERR hat Wohlgefallen an seinen Werken. (32) Er schaut die Erde an, so bebt sie; er rührt die Berge an, so rauchen sie. (33) Ich will dem HERRN singen mein Leben lang und meinen Gott loben, solange ich bin. (34) Meine Rede müsse ihm wohl gefallen. Ich freue mich des HERRN. (35) Der Sünder müsse ein Ende werden auf Erden, und die Gottlosen nicht mehr sein. Lobe den HERRN, meine Seele! Halleluja!

73.24
völ=lich normal: ‹5 Finger hab’ich an jeder Hand›

Anspielung auf ein bekanntes Rätsel, bei dem die Satzzeichen irreführend gesetzt sind, und das in verschiedenen Variationen kursiert:

Es schrieb ein Mann an eine Wand:
Zehn Finger hab’ ich an jeder Hand,
fünfundzwanzig an Händen und Füßen.
Ihr werdet überlegen müssen.

73.29
‹MARION KERBY›

Den Namen entlehnte Schmidt Thorne Smith’ ›Topper: A Ribald Adventure‹ (1926). Zu Smith & Schmidt s.: Friedhelm Rathjen, ›Drei Buchruinen‹ in: ders., ›Westwärts. Arno Schmidt und die amerikanische Literatur‹, Scheeßl 2007.

73.40
Im Block ‹Francis Parkman›

Anspielung auf James Jones’ Roman ›Some Came Running‹ (dt. ›Die Entwurzelten‹), dessen Hauptschauplatz das nach dem amerikanischen Historiker Francis Parkman (1823–1893) benannte Städtchen Parkman ist.

74.4
»Der neue ‹Weiße Fleck›, im ehemalijen Kansas, – der, der Gepflogenheit entsprechend, den Namen ‹HERTER› erhalten hat .....«.

Anspielung auf den amerikanischen Politiker Christian Archibald Herter, von 1959 bis 1961 Außenminister der USA.

75.17
PROSECUTORS prosecute the prosecuted=ones : should the prosecuted=ones prosecute their prosecuteors

Übersetzung des Anfangs von Helmut Heißenbüttels ›Politische Grammatik‹ (1959):

Verfolger verfolgen die Verfolgten. Verfolgte aber werden Verfolger.

75.19
in Gertrude’s schteinichster Weis’

Anspielung auf Gertrude Steins berühmtes »A rose is a rose is a rose« aus dem Gedicht ›Sacred Emily‹.

76.6
‹Du weißt, daß Dein Körper des immerwährenden Schtoff=wexels bedarf.› –« […]

Zitat aus Karl Mays ›Himmelsgedanken‹ (S. 100):

Du weißt, daß dein Körper des immerwährenden, unausgesetzten Stoffwechsels bedarf. Deine Seele ebenso. Weißt du auch das? Hast du noch nicht ihren Hunger, ihren Durst beachtet? Gieb ihr, was ihr nöthig ist, aber nicht Lüge anstatt Wahrheit und nicht Finsterniß anstatt Licht!

76.16
Freut Euch des Lärmes, weil noch das Lämpchen glüht .....

Verballhornung des Refrains von ›Freut euch des Lebens‹ von Johann Martin Usteri (1763–1827):

Freut euch des Lebens,
weil noch das Lämpchen glüht,
pflücket die Rose, eh’ sie verblüht.

77.21
»Waite Mare. –: Im Dämmer=Grooo.
Die Sonnö verglomm. Die Schtärrnö ziehn …«
[…]
»Nun jumpe ich hin, zu der schö=hö=hönstönn Frooo …«
[…]
»weit über Mare im Dämmer=Grooo ...«
(und auf den neuen Reim auf ‹ien› war ich doch neugierich; ‹Jasmin› dürfte man ja, der sentimentalen Folgen wegen, schwerlich verwendet habm .....: Ah: ‹Benzien›: sehr gut!)

Verballhornung des mehrfach vertonten Gedichts ›Traum durch die Dämmerung‹ von Otto Julius Bierbaum:

Weite Wiesen im Dämmergrau;
die Sonne verglomm, die Sterne ziehn,
nun geh' ich zu der schönsten Frau,
weit über Wiesen im Dämmergrau,
tief in den Busch von Jasmin.

78.4
schlimmer wie bei Crébillons ! Widerlich .....

Anspielung auf Claude Prosper Jolyot de Crébillons galanten Roman ›Le sopha‹ (1742).

78.14
er hieß seitdem nur ‹Der Löscher›

Wilhelm Michels schrieb am 10. März 1957 an Arno Schmidt (BWM, S. 66):

Am 28. Februar hat uns der Nachfolger des Löschers mitsamt Frau und Kind verlassen […].

[Anmerkung des Hrsg.] »Löscher« war der Spitzname eines Erziehers in der Waldschule, der versehentlich […] Bandaufnahmen gelöscht hatte.

79.32
a WAC, so fair to see

WAC ist die Abkürzung für »Women’s Army Corp« der US-Armee.

80.8
ein gewisser H.G. Trunnion

Anspielung auf Hagen von Tronje des ›Nibelungenlied‹; eventuell auch auf eine gleichnamige Figur in Tobias Smollets Roman ›The Adventures of Peregrine Pickle‹ (1751).

80.19
Manches war freilich schwerer zu verschtehen: mit jedem Deutschen wollte er ‹die Kehre› gemacht haben?

Siehe auch S. 150, S. 178 und S. 208; das Grimmsche Wörterbuch notiert dazu:

die »kehre« ist ursprünglich das wenden mit dem rosse, pfluge u. ä., besonders im turnier, im kampf zu ross, das wenden und rückgehn mit dem rosse zum neuen anlauf wider den gegner; das hiesz mhd. einen oder den kêr nemen, tuon (auch den widerswanc) […]

80.21
Vielleicht n Griff beim silent killing?

Günter Jürgensmeier weist auf eine Wehrmachtsschrift aus Norwegen aus dem Jahr 1942 (?) hin: ›Abwehr englischer Gangster-Methoden. »Silent Killing« / Stilles Töten‹. Darin heißt es:

Eine in englischen Sabotageschulen herausgebrachte Anleitung zum Nahkampf wurde von der deutschen Wehrmacht erbeutet. Die Anleitung behandelt die bisher unbekannte englische Angriffsmethode »Silent killing«, d.h. auf deutsch »stilles Töten«.

Schmidt benutzt den Begriff auch in ›Schwarze Spiegel‹ (BA I, 1, S. 228):

Silent killing (denn die 300 Schuß würden ja nicht ewig reichen).

81.40
General Grünther=selbst, der Oberkommandierende, (der Dichter verglich ihn aber auch oft mit einem ‹Könich›)

Neben König Gunther aus dem ›Nibelungenlied‹ ist hier wohl auch der amerikanische General Alfred Maximilian Gruenther (1899–1983) gemeint: 1941 bis 1953 Stabschef beim Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE), 1953 bis 1956 Oberkommandierender der NATO-Streitkräfte in Europa.

82.6
ein paar neue WAC’s

s. Kommentar zu S. 79

82.18
‹roll me over in the clover›

s. a. S. 71. - Text und Erläuterung von Skylighters, dort auch andere Versionen:

›Roll Me Over in the Clover‹ was a randy little number that was hugely popular in England in 1944. The lyrics, for the time, were extremely racy and the subject matter was, well, sex.

We've tried it once or twice
And found it rather nice

Chorus:
Roll me over lay me down and do it again
Roll me over in the clover, roll me over lay me down and do it again

Chorus

Oh this is number one
And the fun has just begun

Chorus

Oh this is number two,
Down in front he's comin through

Chorus

Oh this is number three
And his hand is on me knee

Chorus

Oh this is number four
And he's been there twice before

Chorus

Oh this is number five
I'm surprised I'm still alive

Chorus

Oh this is number six,
And he's got me doin tricks

Chorus

Well this is number seven,
And he took me straight to heaven

Chorus

Oh this is number eight,
He bent me o'er the garden gate

Chorus

Oh this is number nine,
And the baby's doin fine

Chorus

Oh this is number ten,
And when he's through we'll do it again

Chorus

Oh this is number eleven
and it's just like number seven

82.19
sint ut sunt aut non sint

Lat., »Sie seien wie sie sind oder sie seien nicht«; eine dem Jesuitengeneral Lorenzo Ricci zugeschriebene Antwort, als ihm vorgeschlagen wurde, den Jesuitenorden zu reformieren bzw. aufzulösen.

83.3
Now it’s ‹Dillert=this› and ‹Dillert=that› and […] the Bolshies start to roll

Anspielung auf Rudyard Kiplings Gedicht ›Tommy‹:

Then it’s Tommy this, an’ Tommy that, an’ Tommy, »’ow’s yer soul?«
But it's »Thin red line of ’eroes« when the drums begin to roll
The drums begin to roll, my boys, the drums begin to roll,
O it’s »Thin red line of ’eroes,« when the drums begin to roll.

84.0
Im ‹AMERIKA=HAUS› in Darmschtadt sahen sie sich zum letzten Mal. / (Vor dem er, Dillert, noch ‹LONG LOUIS› traf, der dort immer schtand – vermutlich n G.I.=Kummpl von früher) –

»Langer Ludwig« oder »Langer Lui« nennen die Darmstädter das Ludwigsmonument auf dem Luisenplatz. Von 1950 bis 1953 widmeten die Amerikaner die Gaststätte »Goldene Krone« zum Amerika-Haus um. Das Gebäude steht in der Schustergasse 18, von wo aus das Denkmal nicht zu sehen ist.

85.4
(Und das war ja auch wieder gans prächtich geschildert: wie er die, in ‹Charles=Hurst› immer schlankweck ‹HUNNEN› nannte.

»Charles=Hurst« ist eine Verballhornung des Berliner Vorots Karlshorst, wo die bedingungslose Kapitulation Deutschlands unterzechnet wurde, bis 1949 Hauptquartier der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD).

85.21
‹Calton Creek›

Diese Verballhornung von »Kalter Krieg« wird von Schmidt mehrfach benutzt, etwa im Interview mit dem NDR (BA Sup 2, S. 16):

Oder der [!] Schlagwort vom »Kalten Krieg« [wird] durch eine einfache andere Schreibung »Calton Creek« zu dem trennenden Grenzfluß zwischen Ost und West, zu dem schwarzen stygischen Gewässer.

Ähnlich auch in ›Das Geheimnis von Finnegans Wake‹ (BA II, 2, S. 473):

Oder, um in 2 Sprachen tiefsinnig zu tändeln : das muß jeder ‹gute Leser› merken & genehmigen, wenn ich den ‹Kalten Krieg› zwischen Ost & West als trennenden Strom auffasse, und ihn als ‹Calton Creek› dahinströmen lasse.

Vgl. auch ›Eberhard Schlotter: Das Zweite Programm‹ (BA II, 3, S. 19) und ›Nachschlagewerk im Werden‹ (BA III, 4, S. 265).

86.37
Und uns Allen schwindelte aufs Herrlichste der Kopf – den noch anschließenden Vortrag ‹Über Büschel von Nullsystemen im vierdimensionalen Raum› mochte Niemand mehr anhören.

Günter Jürgensmeier weist auf eine gleichnamige Dissertation von 1930 hin, deren Titel Schmidt vielleicht aus einem Antiquariatskatalog kannte:

Heinrich Aymanns: Über Büschel von Nullsystemen im vierdimensionalen Raum. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde. Genehmigt von der philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn.

89.13
Mettwürste, so lang wie Jakopstack

Der »Jakobstag« ist der 25. Juli, und damit einer der längsten Tage im Jahr.

91.22
Und auch das unvermeidliche ‹Mensch ärger’ Dich nich’.›: wenn ich bloß ma rauskrickte, Wer das eigentlich erfundn hat!

Der Erfinder heißt: Josef Erich Schmidt.

91.37
»Wer über seinen Kampf um Lebensglück / sich nur 1 Haar versehrt, […] und bei Sonnenschein / mit Schiff & Schatz betroffen untersinkt.«

Eintrag zum 28. Oktober in Leopold Schefers ›Laienbrevier‹ (Leipzig, 1872, S. 411 f.; Schmidt besaß die 12. Auflage von 1859, BVZ 292.9):

Wer über seinen Kampf um Lebens=Glück
Sich nur ein Haar versehrt, nur Einzelnes
Im Auge, Nächstes im Gefühl, wohl gar
Gesundheit sich vescheucht – die Schöpferin
Der Freude aus dem langen Lebensstrome,
Der gleicht dem Kinde, das den Korb voll Perlen
Durch einen Wald von Räuber, Sturm und Blitze
Auf hohlem Boden sicher hingetragen –
Und nun, bei Blumenpflücken, sich verliert;
Der gleicht dem Manne, der ein Schiff Kleinode
Soll über Meer zum fernen Hafen steuern,
Und – alle Tage in des Schiffes Boden
Zum Spiel ein Loch bohrt, und bei Sonnenschein
Mit Schiff und Schatz betroffen untersinkt.

93.34
‹DAS VATERHAUS›! – Mensch, allein das Umschlack=Bild. (Und darin eine ‹FAMILIE ADLERHORST›? Was war d’nn das? Das kannt’ich ja gar nich!).

Karl May erzählt in seinem (anonymen) Kolportageroman ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ (1885–1888) die Schicksale der Familie von Adlerhorst. Der Karl-May-Verlag publizierte 1927/1928 einen Vorabdruck seiner Bearbeitung unter dem Titel ›Die Familie Adlerhorst‹ in der Zeitschrift ›Das Vaterhaus‹.

93.37
‹DEUTSCHER HAUSSCHATZ IN WORT & BILD› : lauter gemästete Faffenköppe sahen mich an

›Deutscher Hausschatz‹ war eine katholische Wochenzeitschrift, in der viele Romane Karl Mays in Fortsetzungen abgedruckt wurden, darunter auch ›Im Reiche des silbernen Löwen‹. Schmidt besaß zahlreiche Bände, die er zwischen 1959 und 1961 kaufte (BVZ 481.37). Am 26. Oktober 1959 – während der Arbeit am Roman – schrieb Schmidt an Wollschläger (BHW, S. 202):

soeben erhalte ich ein Großangebot vom DEUTSCHEN HAUSSCHATZ – schandbar teuer freilich; (und ich habe ohnehin schon 1 Band dastehen, in dem zwar kein alter MAY, wohl aber 4 Dutzend gemästete Pfaffenköppe paradieren); aber vielleicht könnte man doch Einiges in Erwägung ziehen

Am 29. Oktober informierte Schmidt Wollschläger darüber, dass er Band 24 (= Jg. 1897/1898 mit dem Erstdruck von ›Im Reiche des silbernen Löwen‹) bestellt habe (BHW, S. 204).

93.38
»Potz Carocha & Sanbenito, Tanndte: das sind doch Alles Katholen!«

Meyers Großes Konversations-Lexikon, Carocha:

Carocha […] eine hohe, zylinderförmige Ketzermütze aus Papier oder Pappe, mit allerlei Teufelsgestalten, welche die von der Inquisition zum Feuertode Verurteilten während des Autodafé trugen; vgl. Sanbenito.

Meyers Großes Konversations-Lexikon, Sanbenīo:

Sanbenīto […] oder Zamarra, das Armesünderhemd der von der Inquisition Verurteilten […]

94.3
‹Copie Nr. 2 / für Herrn / Heinrich Andreas Näwy / […]

Arno Schmidt war über Hans Wollschläger im Juli 1959 in den Besitz einer Abschrift von Karl Mays ›Frau Pollmer, eine psychologische Studie‹ gekommen, dessen Manuskript zu dem Zeitpunkt vom Karl-May-Verlag noch unter Verschluss gehalten wurde. Die »Copie Nr. 2« ist eine Fiktion, um Schmidts Besitz der ›Studie‹ plausibel zu machen; s. dazu BHW Nr. 77, 78, 86, 95 u. passim.

94.7
‹POLLMER & NÄWY›

Emma Lina Pollmer (22. November 1856 – 13. Dezember 1917), Karl Mays erste Ehefrau, von der er sich 1903 scheiden ließ. Trat in den Prozessjahren Mays auch als Zeugin gegen ihn auf. Heinrich Andreas Nävy, Expedient und Gerichtsschreiber am Landgericht Dresden, dessen Name in den Akten zu Mays Meineids-Prozess auftaucht. Schmidt kannte den Namen aus Rudolf Lebius, ›Die Zeugen Karl May und Klara May‹.

94.18
Voß hatte sich ‹Lieder beim Kartoffellesen› eingebildet

Johann Heinrich Voß, ›Die Kartoffelernte‹

Kindlein, sammelt mit Gesang
Der Kartoffeln Überschwang!
Ob wir voll bis oben schütten
Alle Mulden, Körb’ und Bütten;
Noch ist immer kein Vergang!

Wo man nur den Bulten hebt,
Schaut, wie voll es lebt und webt!
O die schön gekerbten Knollen,
Weiß und roth, und dick geschwollen!
Immer mehr, je mehr man gräbt!

Nicht umsonst in bunter Schau
Blüht’ es röthlich, weiß und blau!
Ward gejätet, ward gehäufet:
Kindlein, Gottes Segen reifet!
Rief ich oft, und trafs genau!

Einst vom Himmel schaute Gott
Auf der Armen bittre Noth:
Nahe gings ihm; und was that er
Uns zum Trost, der gute Vater?
Regnet’ er uns Mannabrot?

Nein, ein Mann ward ausgesandt,
Der die neue Welt erfand!
Reiche nennens Land des Goldes;
Doch der Arme nennts sein holdes
Nährendes Kartoffelland!

Nur ein Knöllchen eingesteckt,
Und mit Erde zugedeckt!
Unten treibt dann Gott sein Wesen!
Kaum sind Hände gnug zum Lesen,
wie es unten wühlt und heckt!

Was ist nun für Sorge noch?
Klar im irdnen Napf und hoch,
Dampft Kartoffelschmaus für alle!
Unsre Milchkuh auch im Stalle
Nimt ihr Theil, und brummt am Trog!

Aber, Kindlein, hört! ihr sollt
Nicht verschmähn das liebe Gold!
Habt ihr Gold, ihr könnt bei Haufen
Schöne Saatkartoffeln kaufen,
Grad’ aus Holland, wenn ihr wollt!

Vgl. auch ›Brauchbare Wendungen zu ›Sturm und Drang‹‹ (Oktober 1958, BA Sup 1,S. 208):

Ging man aber nicht sofort wieder zu weit? »Schön röthlich die Kartoffeln sind, und weiß wie Alabaster« – das mag noch angehen; aber wenn man gleich neue Volkslieder schaffen will, »beim Kartoffellesen zu singen«: »Kinder sammelt mit Gesang, der Kartoffeln Überschwang« – dann geht das doch wohl zu weit?

94.33
‹Die Angejahrten wissen Euch zu schätzen›

Zitat aus Goethes ›Faust II‹:

Page: Ich bin verliebt, man hält mich nicht für voll.

Mephistopheles: Ich weiß nicht mehr, wohin ich hören soll.
Müßt Euer Glück nicht auf die Jüngste setzen.
Die Angejahrten wissen Euch zu schätzen. –

94.35
Azagouc & Zazamanc

Namen zweier Stoffe bzw. deren Herkunftsorte im ›Nibelungenlied‹. In Simrocks Übersetzung (Sechstes und Siebentes Abenteuer):

In arabische Seide, / so weiß als der Schnee,
Und gute Zazamanker, / so grün als der Klee,
Legten sie Gesteine: / das gab ein gut Gewand;
Kriemhild die schöne / schnitts mit eigener Hand.

[…]

Hört noch von ihren Kleidern / deren hatte sie genug.
Von Azagauger Seide / einen Wappenrock sie trug,
Der kostbar war und edel / daran warf hellen Schein
Von der Königstochter/ gar mancher herrliche Stein.

95.16
Die Ideen bildeten sich, während sie dozierte
95.27
Aber Morgenröten sind 1 Schtudium für sich, ich weiß. Und man soll, laut Eff Nietzsche, seinem Nächstn ‹Beschämunk erschpaaren›: wäre übrijens der Schatten der Geliebtn besser oder schlimmer als Garnichts?

Anspielungen auf Nietzsches ›Morgenröte‹ und ›Der Wanderer und sein Schatten‹, Nr. 344:

Wie man siegen muss. – Man soll nicht siegen wollen, wenn man nur die Aussicht hat, um eines Haares Breite  seinen Gegner zu überholen. Der gute Sieg muss den Besiegten freudig stimmen, er muss etwas Göttliches haben, welches die Beschämung erspart.

95.33
Ist Euch etwa auch das unbekannt: daß in der vorhin schon angeschpieltn Französischn Reewoluzzjohn, der Schpielkartenmacher Maudron welche mit den Gesichtern der Schreckensmänner herausgab?

Karl Richter schöpft seine Kenntnis aus ›Pariser Zustände während der Revolutionszeit von 1789–1800‹ von Adolf Schmidt (1812–1887) (Jena, 1874–1876). Schmidt besaß den Band, den er 1959 erwarb (BVZ 851). Darin heißt es in Teil 2, S. 29 f.:

Daß das Spiel zeitweise ein Deckmantel der Politik war oder mit ihr Hand in Hand ging, ist nicht zu verkennen. Schon die äußere Ausstattung der Karten bot Anlässe, die politische Gesinnung zum Ausdruck zu bringen. […] Gleich im Beginn der Directorialregierung wurde unter der Hand ein neues Kartenspiel in Umlauf gebracht, das zusammengesetzt war aus fünf Königen (die 5 Directoren bezeichnend), sechs Buben (die 6 Minister darstellend), und vielen Piken oder Schippen (als Sinnbilder des gesetzgebenden Körpers), während es »gar kein Herzen (Coeur)« enthielt, die Schellen (Carreaux) aber das vom Jammer niedergedrückte Volk vorstellten. Als Verkäufer galt der Kartenmacher Maudron, der auch »alte Karten« verkaufte, jedoch nur denen, die ihn »Monsieur« anredeten, während er sie denen vorenthielt, die ihn »Bürger« titulierten.

96.21
‹helleborosn Farrago›

s. Kommentar zu S. 47.40

96.24
Also ‹eine echte Bereicherunk im Sinne der tria corda des Ennius›

Von Quintus Ennius (239–169 v. u. Z) ist der Ausspruch überliefert, er habe drei Herzen, da er drei Sprachen beherrsche. Jacob Burckhardt schreibt in seiner ›Griechischen Kulturgeschichte‹:

Schon jedes Innewerden einer fremden Literatur, d.h. einer andern Betonung des Geistigen als die unsrige ist, wie überhaupt aller vergangenen und auswärtigen Formen des Geistes, ist eine Bereicherung im Sinne der tria corda des Ennius, vollends aber das Innewerden der hellenischen Literatur.

Siehe auch ›Wieland, oder die Prosaformen‹ (BA II, 2, S. 304):

Bücher wie dieser gigantische Briefroman vom ‹Aristipp›, die dem Fachmann reinlich das Stahlskelett der Trägerkonstruktion zeigen, und gleichzeitig dem Leser eine Fülle intrikatester ziseliertester Geistigkeiten und schönster Menschlichkeit geben, eine Bereicherung im wahrsten Sinne der tria corda des Ennius, gehören in allen Literaturen zu den größten Seltenheiten, und sollten von jeder Generation immer wieder studiert werden.

97.8
Der normale Lebenslauf: Von der Pitié nach Bicêtre: Vom Arm’haus; übers Kittchn; in de Irrn=Anschtalt.

Pitié ist ein Armenkrankenhaus, Bicêtre eine Irrenanstalt und Gefängnis in Paris. – Am 9. März 1960 schrieb Schmidt an Hans Wollschläger (BHW, S. 236):

Conrady’s Schicksal – ich erinnere mich, wie Sie mir erzählten, daß er gewissermaßen ›nur so‹ ins KZ gekommen sei: ßä la wieh!: Vom Marshalsea nach Bedlam; von der Pitié nach Bicêtre; ach wir Armen!

97.20
Lalande hat seine Katze an den Schternenhimmel versetzt – der französische Astronom. […] – Am Südhimmel: unterm Hals der Wasserschlange!

Gemeint ist der frz. Mathematiker und Astronom Jérôme Lalande (1732–1807). – Pierer:

Katze, kleines Sternbild der südlichen Hemisphäre, unter dem Halse der Wasserschlange, von Lalande aufgestellt.

99.7
Potz Gruber & Lafontaine

Johann Gottfried Gruber (1774–1851); dt. Schriftsteller, Lexikograph und Literaturhistoriker, u. a. Biograph von August Heinrich Julius Lafontaine.

August Heinrich Julius Lafontaine (1758–1831); dt. Schriftsteller, schrieb zahlreiche Romane; vgl. auch Schmidts Dialog ›Eine Schuld wird beglichen‹ (geschrieben November bis Dezember 1965, gesendet im März 1966), BA II, 3, S. 201–229.

99.9
gleich sex & firz ich

Vgl. Schmidts Übersetzungen aus ›Finnegans Wake‹ in ›Der Triton mit dem Sonnenschirm‹ (BA II, 3, S. 34):

und die undurchdringliche Jute=Weste; den volkstümlichen Hemdkragen, Größe sieben=und=firz=ich

Schmidt benutzt seine Übersetzung auch in ›..... und dann die Herren Leutnants!‹ (BA II, 3, S. 152):

und die undurchdringliche Jute=Weste; den volkstümlichen Hemdkragen, Größe sex & firz=ich

99.21
Mit der Lust der Vollterknechtinn: Leopold Schtein, ‹DIE HEXEN SIND UNTER UNS›!

Am 22. Januar 1960 schrieb Schmidt an Wollschläger (BHW, S. 220):

In diesem Zusammenhang [mit Mays ›Frau Pollmer‹] empfehle ich Ihnen, falls Sie’s noch nicht kennen sollten, das neuerschienene Buch eines gewissen Leopold Stein zu lesen ›Loathsome Woman – witches among us‹. Es ist zwar literarisch nicht ernst zu nehmen; untersucht jedoch eben jenes Problem der ›Bestie‹ und ›Hexe‹; und Sie werden, anläßlich der Niederschrift von May’s Biografie, allerlei daraus zitieren können. Diese ›Akte‹ ist ja der erstaunlichste Beleg ›von Format‹ für die dort geschilderten Fälle ; wenn dieser Dr. Stein sie kennte, würde er ihr einen Extra-Exkurs widmen.

In ››Gesammelte Werke in 70 Bänden‹‹ (1961) heißt es (BA III, 4, S. 56 f.):

Eine erste Ehe mit Emma Pollmer (1856–1917) erwies sich als langjährig=unglücklich für beide Teile – den bis jetzt nicht=vorliegenden Nachrichten zufolge [gemeint: ›Frau Pollmer‹], scheint es sich bei ihr um eine ausgesprochene ‹Hexe› gehandelt zu haben, im Sinne von L. Stein’s ausgezeichneter Studie ‹LOATHSOME WOMAN=WITCHES AMONG US›; auf jeden Fall ist sie Modellfigur für den 1 Typenkreis seiner ‹Frauengestalten› gewesen.

Gemeint ist die psychoanalytische Fallgeschichte vierer Frauen ›Loathsome Women. The witches among us‹ (1959) von Leopold Stein und Martha Alexander. Eine Besprechung vom Juni 1959 findet sich hier.

100.8
»[…] Waltegott,« schloß ich innich (und meinte es auch; was bei mir mit nichten immer der Fall iss): »daß ein Fach=Jemand uns recht bald einmal den Casus im Einzelstänn auseinanderpolkt.«

Gemeint ist hier Hans Wollschläger, der eine umfangreiche Biographie Karl Mays und eine Monographie zu dessen ›Im Reiche des silbernen Löwen‹ plante, zu denen ihn Schmidt brieflich immer wieder ermuntert.

100.14
n gewisser Lebius hat da allerlei Material zusammengeschleppt

Rudolf Lebius (1868–1946) schrieb ›Die Zeugen Karl May und Klara May‹ (Berlin-Charlottenburg, Spreeverlag 1910), in dem er umfangreiche Auszüge aus Prozessakten, Briefen und Zeitungsartikeln gegen Karl May zusammentrug und kommentierte. Schmidt bekam das Buch (BVZ 481.57) am 10. September 1958 von Hans Wollschläger und hat es lt. Tagebuch in den folgenden Tagen gelesen (BHW, S.72).

100.22
»[…] Opwohl mir« schloß ich mit Nachdruck, »alle diese Literariker verdächtich sind, die 20 und 50 Bände=lank so schreibm, als wüßtn sie den Unterschied zwischen Bubm & Mätchn nich: die habm in ihren Willen garantiert 1 ‹nacktes Zimmer› gehabt!«

Anspielung auf Karl Mays ›Frau Pollmer‹, S. 903:

Das sogenannte ›nackte Zimmer‹ strotzte hiervon. Sie [= Emma Pollmer] selbst hatte der Stube diesen Namen gegeben, weil sie da morgends und abends vollständig entkleidet auf dem Nachtstuhle vor dem Spiegel saß, um in perversester Weise ihre Nothdurft zu verrichten und dabei ihren nackten Körper nach allen Richtungen hin zu bewundern und anzubeten.

100.31
»Doch, Hertha: das giebt es sehr wohl: daß Einer mit der rechten Hand Materialien zu einem DSCHINNISTAN sammelt: ‹Empor ins Reich der Edelmenschen›! – Und mit der Linken ...?«

›Ardistan und Dschinnistan‹ ist ein Spätwerk von Karl May, in dem Ardistan das Reich der »Edelmenschen« ist; ›Empor ins Reich der Edelmenschen!‹ war der Titel von May Vortrag am 22. März 1912 in Wien. – Am 27. März 1960 notierte Schmidt im Entwurf eines Briefes an Hans Wollschläger (in dessen Eigenschaft als Mitarbeiter des Karl-May-Verlags; BHW S. 970):

Es ist schon ein tolles Schauspiel: der Mann, der mit der Rechten ein DSCHINNISTAN hindichtet, ›Empor ins Reich der Edelmenschen‹; und gleichzeitig mit der Linken ein derart makabres Produkt zusammenschmirgelt: ›Hinab ins Reich der Untermenschen‹!

100.40
‹Die Mode wexlt, der Druckknopf bleipt›

Werbespruch der Firma Prym (für vergrößerte Darstellung Bild anklicken, Foto von Janos Frecot):

Prym Druckknöpfe)

101.2
‹Hinab ins Reich der Untermenschen›

Anspielung auf Karl Mays Vortrag ›Empor ins Reich der Edelmenschen!‹, den May kurz vor seinem Tod am 22. März 1912 in Wien hielt, s.a. Kommentar zu 100.31.

101.5
»‹Karl May & Minna Ey? : Die werdn niemals 2!›«

Minna Ey war die unverheiratete Schwester von Pauline Münchmeyer, der Frau von Karl Mays Verleger Heinrich Gotthold Münchmeyer. Schmidt kannte das Verslein aus Rudof Lebius’ Anti-May-Pamphlet ›Die Zeugen Karl May und Klara May. Ein Beitrag zur Kriminalgeschichte unserer Zeit‹, S. 121 f.:

Meine Stellung bei Münchmeyer habe ich nach ungefähr einem Jahre gekündigt, weil man mir durchaus die Minna Ey als Frau aufdrängen wollte und mir eine derartige Kuppelei zuwider war. In der ganzen Umgebung ging dann der Vers »Die Minna Ey und Karl May, die werden niemals zwei.«

Zu Lebius s. S. 100.14

101.6
Und Eine las sich die Filz=Läuse von den fetten Schenkeln : dazu am unverdunkeltn Fenster 4 Arbeiter=Gesichter, (übereinander, wie die Dresdener Schtadtmusikantn), die’s vorgeeplich gesehen hatten

Anspielung auf Karl Mays ›Frau Pollmer‹, S. 808:

Und von der Schwester der Frau Münchmeyer erzählten sich die Arbeiter und Arbeiterinnen, daß sie sich des Abends vor dem Schlafengehen bei Licht die Filzläuse von den dicken Beinen gelesen habe; man hatte sie von den gegenüberliegenden Fenstern aus beobachtet.

101.9
Und die andere ‹Bestie› steatopygierte mit ihrem Aschyk ins Hotel garni

Als Steatopygie (auch Fettsteiß) bezeichnet maneine Fettablagerung am Steiß. Der Aschyk (= Geliebter) ist in ›Im Reiche des silbernen Löwen‹ der Geliebte der Köchin Pekala.

101.10
Potz Eustachius von Kent & Gottfried von Monmouth

Auch in ›Vom Iskander zum Alexander‹ (geschrieben vom 6. bis 11. Oktober 1959, also während der Arbeit an ›Kaff‹) nennt Schmidt Eustachius von Kent als eine Quelle seines ›Alexander‹ (BA III, 3, S. 501), allerdings ist in der Alexander-Tradition lediglich ein Thomas von Kent aus dem 12. Jahrhundert zu finden, der den Alexander-Roman ›Roman de toute chevalerie‹ schrieb. – Gottfried von Monmouth (Geoffrey of Monmouth) war ein britischer Geistlicher, Gelehrter und Schriftsteller im 12. Jahrhundert.

101.15
»‹Du siehst aus, wie unser Louis!› –«: während der ernsthaft=alternde Hakawati hinter seinen beiden Frauen herzockelte

»Louis« ist ein Slang-Ausdruck für »Zuhälter«; gemeint ist hier Karl Mays Schilderung eines gemeinsamen Spaziergangs mit seiner damaligen Frau Emma und seiner zukünftigen Frau Klara in ›Frau Pollmer‹, S. 918:

Verwendete Hunderte auf höchst auffallende Promenadenmäntel, die nur von Straßendirnen getragen werden, um die Blicke der Lüsternen auf sich zu ziehen. Das Schlimmste war, daß sie die gute, bescheidene und sehr schamhafte Frau Plöhn zwang, einen dito Mantel zu tragen, und mir, als ich in meinem einfachen Anzuge hinter ihnen herging, vor allen Passanten zurief: »Du siehst aus wie unser Louis!« Mit diesem einen Worte, dem auf der ganzen Erde kein Anderes gleicht, war für mich die Scheidung ausgesprochen […].

Zu »Hakawati« s. 71.26

101.16
es war schon ein dolles Acktn=Schtück; fuffzich Prozent Schtrintberk, fuffzich Assiel Benn Rieh; (dem die Reiterinn, wenn’s ihr zu lank=sam geht, ‹die Hand zwischen die Ohren leekt›: »da bog er sich, und wurde lang & dünn«.

Am 27. Juli 1959 schrieb Arno Schmidt an Hans Wollschläger (BHW, S. 170):

Das Ding [Mays ›Frau Pollmer‹] muß, früher oder später, (möglichst aber früher), in den Druck ! ›Das nackte Zimmer‹: das ist ja ein Titel & Inhalt wie Strindberg ! (›Röda Rümmet‹)

Assil Ben Rih ist bei May der Sohn von Kara Ben Nemsi Pferd Rih; s. a. ›Sitara und der Weg dorthin‹ (BA III, 2, S. 128 f.):

Hier sei nunmehr auf die ‹Geheimnisse› der Herren Pferde hingewiesen; ein ihnen andressiertes Zeichen, auf das hin sie das Letzte hergeben […]. Ich wähle eine beliebige Stelle, sagen wir, Silberlöwe III, 218 ff. : »Indem ich mich weit vorbog, legte ich Assil die Hand zwischen die Ohren und sagte dreimal seinen Namen. Dieses Zeichen war gewählt worden, weil es sehr schwer auszuführen ist. Nur ein Reiter, welcher eines arabischen Renners würdig ist, wird es fertig bringen, im schärfsten Galoppe die Ohren seines Pferdes mit der Hand zu erreichen. Die Wirkung war eine großartige. ... Es ging wie ein Zittern durch seinen ganzen Körper. Dann ließ er ein tiefes schnaubendes Stöhnen hören, ein Stöhnen dankbarer Willensfreudigkeit.« (»Da bog er sich, und wurde lang & dünn« heißt es an anderer Stelle).

Die »andere Stelle« lässt sich bei May in der von Schmidt zitierten Form nicht nachweisen, es findet sich (in ›Durchs wilde Kurdistan‹ lediglich:

Ich legte ihm die Hand zwischen die Ohren. »Rih – –!« Da bog er sich lang und flog dahin, als sei er von einer Sehne geschnellt.

101.23
‹Zieh nich an den rein, Mainsohn. Ich rate Dir gut.›

Anspielung auf Karl Simrocks Gedicht ›Warnung vor dem Rhein‹:

An den Rhein, an den Rhein, zieh nicht an den Rhein,
Mein Sohn, ich rate dir gut:
Da geht dir das Leben zu lieblich ein,
Da blüht dir zu freudig der Mut.

101.28
‹Oknos der Seilflechter›

Aufsatz von Johann Jakob Bachofen zur mythologischen Figur des Oknos, der im Hades auf ewig ein Seil flechten musste, das von einer Eselin aufgefressen wurde. Zu Lebzeiten soll Oknos ein fleißiger Mann gewesen sein, dessen Hab und Gut von seiner leichtlebigen Frau verschwendet wurde. Schmidt besaß eine dreibändige Werkauswahl Bachofens (BVZ 761).

102.20
das Alltägliche issd so klaa noch nichd, wie jene Herrn uns glaubm machn wolln : ja nich hallp so klaa

Vgl. auch ›Die 10 Kammern des Blaubart‹ (August 1961; BA III, 4, S. 114):

Das ‹Alltägliche› ist noch nicht halb so klar, wie man sich einzubilden pflegt; und das Außerordentliche eigentlich nur eine Erfindung der Journalisten, die der Dichter verschmähen sollte.

Und ›Die Großhauswelten‹ (Juli 1962; BA III, 4, S. 230):

Das ‹Alltägliche› ist noch längst nicht so klar, wie man meint, ja, noch nicht einmal halb so klar; (und das ‹Außerordentliche› überlasse man den Reportern).

103.1
neulich s=tand da in den ein’ Buch doch in, wie 2 Ehepartner einanner, auch von Gesichd, immer ähnlicher wurdn

Anspielung auf Justinus Kerners Roman ›Die Reiseschatten. Von dem Schattenspieler Luchs‹:

Auch fiel mir die Beobachtung ein, daß Eheleute, die lange miteinander leben, endlich einander auch ganz im Gesichte ähnlich werden wie alte, treue Bediente ihren Herren.

103.6
»Zankt Euch bloß so viel Ihr könnt : Säbs=tändichkeit!« / Potz Xerxes und Artaxerxes!

Der persische König Xerxes I. (um 519 bis 465 v. u. Z.) wurde von seinem Gardebefehlshaber Artabanos ermordet, der den Verdacht auf Dareios, den ältesten Sohn des Xerxes’, lenkte. Dareios wurde von seinem Bruder Artaxerxes (gest. 424 v. u. Z.) ermodet, der die Nachfolge des Xerxes’ antrat.

103.32
Er hat mier da ma was vor=geleesn; von ner gewissn ‹ANNA LIEWJAH› – och so vor 15 Jaan

›Anna Livia Purabelle‹ ist ein Kapitel aus ›Finnegans Wake‹ (1939) von James Joyce. ›Kaff‹ spielt am 28./29. Oktober 1959 (vgl. BA I, 3, S. 91 u. 543), »so vor 15 Jaan« wäre also um 1944 – ein Jahr, in dem Karl Richter wohl kaum an ›Finnegans Wake‹ gelangt sein konnte.

104.2
‹Âne mâßn schoene bumms: so waß irr eddel Lieb›

Zitat aus dem ›Nibelungenlied‹ (1. Aventiure, 3. Strophe). Das »bumms« erklärt sich nach einem Blick in das ›Steinerne Herz‹ (BA I, 2, S. 100):

Neue Theorie der Nibelungenstrofe: ich wies nach, daß nach jeder der drei ersten Halbzeilen der Sänger begleitend die Saiten gerissen haben mußte:

»Uns ist in alten maeren: Bums!
wunders vil geseit;
von helleden lobbebaeren: Bums!
von großer arebeit.
Von Freuden, hochgezieten: Bums!
von weinen unde klaggen; –
von (kuoner) recken strieten=mugget=irr:
nu wunder hoeren saggen.«

104.4
Potz Crab=Nebel & Super=Nowwah

Der Krebsnebel (Crabb Nebula, Krabbennebel) wurde 1731 von John Bevis entdeckt und ist der Überrest einer Supernova, die 1054 beobachtet wurde.

104.13
Tanndte Heete war da gans anders. Die leegte den dicken Kopf – ‹DIE HERRIN MIT DEM DICKEN KOPFE› – leicht schräk.

Der »Herr mit dem dicken Kopf« ist in Mays Orienterzählungen ein Synonym für »Löwe«; vgl. auch ›Sitara und der Weg dorthin‹ (1962/63) BA III, 2, S. 151 und 178.

108.22
‹Baumannshöhlen›

Die Baumannshöhle im Landkreis Harz gilt als die älteste touristisch genutzte Höhle Deutschlands.

108.26
Welteishändler

Die »Welteislehre« ist ein kosmologischer Entwurf von Hanns Hörbiger, der postuliert, dass die meisten Himmelskörber aus Eis oder Metall bestehen. Die Erde bildet dabei die einzige Ausnahme in unserem Sonnensystem. Die Welteislehre war besonders im Nationalsozialismus populär.

109.28
Silberschlack war nicht umsonst Oberbaurat des ‹Soldatn=Könichs›

Den Beinamen »Soldatenkönig« trug Friedrich Wilhelm I., der von 1713 bis 1740 König von Preußen war. Johann Esaias Silberschlag (1721–1791) wurde erst dreißig Jahre später, 1770, zum Geheimen Baurat und 1787 zum Oberbaurat ernannt. Er war also nicht Oberbaurat unter dem »Soldatn=Könich«, sondern Baurat unter Friedrich II. Oberbaurat konnter er unter diesem auch nicht sein, da Friedrich II. 1786 – und damit ein Jahr vor Silberschlags Ernennung – starb.

109.32
Kupferschtichblätter

Im BB 263–264 findet sich auf S. 26 ein verkleinerter Abdruck der Blätter, die Karl Richter auf den folgenden Seiten zur Erläuterung heranzieht.

112.27
Potz Hutton & Maskelyne

Charles Hutton (1737–1823), engl. Mathematiker.

Nevil Maskelyne (1732–1811, engl. Astronom, bestimmte zusammen mit Hutton 1744 die Erddichte.

113.7
‹Langlang issd’eer : lang issd’eer›

Anspielung auf den Refrain von Thomas Haynes Bayleys ›Long, Long Ago‹ (um 1833); deutsche Übersetzung von Wilhelm Weidling:

Sag mir das Wort, dem so gern ich gelauscht,
lang, lang ist’s her, lang, lang ist’s her.
Sing mir das Lied, das mit Wonne mich berauscht,
lang, lang is’s her, lang ist’s her.

113.15
was hat Der nich, ap 1788, nach dem berüchtichtn ‹Wöllnerschen Religionsedickt›, die Leute gezwieblt

Brockhaus 1841:

Wöllner (Joh. Christian von), unter Friedrich Wilhelm II. seit 1788 Staatsminister und Chef der geistlichen Angelegenheiten in Preußen, der Veranlasser des berüchtigten preuß., auch Wöllner'sches genannten Religionsedicts vom 9. Jul. 1788, war ein Predigerssohn und 1727 zu Dövritz geboren. […] In dem oben erwähnten Religionsedicte ward daher die Abweichung geistlicher Lehrer von den symbolischen Büchern mit Amtsentsetzung bedroht und in gleichem Geiste durch ein Censuredict wegen theologischer Schriften und Verordnungen der geistlichen Prüfungen u.a. gewirkt. Dies erfuhr natürlich lebhaften Widerspruch, es wurden gegen 100 Schriften dafür und dagegen geschrieben und die Aufhebung des Religionsedicts erfolgte nach dem Regierungsantritte Friedrich Wilhelm III. sammt der Entlassung W.’s (1797), der auf seinem Gute Großriez bei Beeskow in Brandenburg 1800 starb.

114.10
(Und eben ich; im Gesicht den summenden BRAUN. – Man sah mir gedankenvoll zu.)

Am 2. April 1959 notiert Schmidt in seinem Tagebuch (BWM, S. 318):

Zurück über Celle (incl. Essen im Freien); dort rasch Einkaufen, da schenkt er [= Wilhelm Michels] mir einen elektrischen Braun=Rasierapparat!

114.36
Aso mein Jung’: auf’n linkn Ohr hör’ich schon schlecht; unn auf’as rechte leg’ich mich – wenn Ihr da nich grad durche Degge kommd: mich s=tört Ihr nich. […].«

Alice Schmidt, ›Tagebuch 1954‹ (S. 142, Eintrag vom 1. August):

Nachts L Muttel schlief enorm fest. Hört auf einem Ohr nicht und schläft dann auf dem anderen.

115.32
Und mir wurde gans a la 120,4; wie Feuer in Wacholdern!

Psalm 120:

(1) Ein Lied im höhern Chor. Ich rufe zu dem HERRN in meiner Not, und er erhört mich.(2) HERR, errette meine Seele von den Lügenmäulern, von den falschen Zungen. (3) Was kann mir die falsche Zunge tun, was kann sie ausrichten? (4) Sie ist wie scharfe Pfeile eines Starken, wie Feuer in Wachholdern. (5) Wehe mir, daß ich ein Fremdling bin unter Mesech; ich muß wohnen unter den Hütten Kedars. (6) Es wird meiner Seele lang, zu wohnen bei denen, die den Frieden hassen. (7) Ich halte Frieden; aber wenn ich rede, so fangen sie Krieg an.

116.12
Potz Linz & A. Godin

Die Schrifstellerin Amélie Linz schrieb unter dem Pseudonym A. Godin; ihr ›Märchenbuch‹ gehört zu Schmidts frühen Leseeindrücken, vgl. etwa ›Dichter & ihre Gesellen‹ (BA III, 4, S. 415):

Mein erstes selbständiges Leseerlebnis – das zweifellos ‹Folgen› gehabt hat; von 1 Stelle, in 1 meiner Bücher, weiß ich’s bestimmt – ist, mit 3 Jahren, ein starker Großoktavband gewesen, abgenütztes Dunkelrot, mit mattgelbem Linienzierrat & dito Schrift; ich weiß heute, daß es sich um das ‹Märchenbuch› der AMÉLIE GODIN gehandelt hat, das ab 1874 in mehreren Auflagen erschienen ist; leider habe ich seiner noch nicht wieder habhaft werden können.

116.19
‹und wenn es köstlich geweesn ist›

Psalm 90,10:

Unser Leben währet siebenzig Jahre, und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre; und wenn’s köstlich gewesen ist, so ist’s Mühe und Arbeit gewesen; denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon.

116.20
Sie besah sich währenddessen zusätzlich, (vielleicht symbolisch, aber total verklemmt), ihren ‹FLOW=MASTER›, (den, auch 20=Zentimeter=langen, Benzien=Zeichenschtift)

Verschreibung des Markennamens »Flo-Master« für Tinten- und nachfüllbare Stifte.

116.26
das müßte man sich überhaupt angewöhn’: nachz ‹Gedankn› notiern: morgens weck wischn

Eventuell Anspielung auf das Gedicht ›The Complaint or, Night Thoughts on Life, Death and Imortality‹ von Edward Young (1638–1765); vgl. auch S. 129:

Sie liepte, es ist Frauenweise, solche Youngsnachtgedankn

116.33
am gantzn Leibe vor Erregunk fliegn

Evtl. Anspielung auf Otto Nebels Gedicht ›Zuginsfeld‹, das Schmidt auch in ›Zettel’s Traum‹ zitiert (BA IV, 1, S. 851 und S. 1493):

Lügen Sie nicht! Fliegen Sie nicht, fliege ich Exzellenz fliegen am ganzen Leibe!

und

›Excellenz fliegn am ganzn Leibe!‹

116.36
‹Sieg; großer=Siek : ich sehe Alles rosenroth!›

Angeblich Karl Mays letzte Worte.

117.26
Aber das=hier ging ja noch über Frau Shandy

Anspielung auf den Zeugungsakt in Sternes ›Tristram Shandy‹ (I/1):

I WISH either my father or my mother, or indeed both of them, as they were in duty both equally bound to it, had minded what they were about when they begot me; […] Pray, my dear, quoth my mother, have you not forgot to wind up the clock ? –––– Good G –– ! cried my father, making an exclamation, but taking care to moderate his voice at the same time, –––– Did ever woman, since the creation of the world, interrupt a man with such a silly question? Pray, what was your father saying ? –––– Nothing.

117.35
: (und hinein in die Herberge des Abû Mansûr:

Die »Herberge des Abû Mansûr« ist in ›Die Geschichte des Lastträgers und der drei Damen von Bagdad‹ aus ›1001 Nacht‹ eine Bezeichnung für die Vagina; s. dazu BB 23.

118.2
und des Schweißes der Edlen war kein Ende,

Zitat aus Klopstocks Ode ›Der Zürchersee‹:

Reizvoll klinget des Ruhms lockender Silberton
In das schlagende Herz, und die Unsterblichkeit
Ist ein grosser Gedanke,
Ist des Schweisses der Edlen werth!

[…]

Dann ihr sanfteres Herz bilden, und, Liebe, dich,
Fromme Tugend, dich auch giessen ins sanfte Herz,
Ist, beym Himmel! nicht wenig!
Ist des Schweisses der Edlen werth!

118.6
Hokusai […] Wooge

›Die Woge‹ oder ›Die große Welle‹ ist ein Farbholzschnitt des japanischen Künstlers Katsushika Hokusai (1760–1849).

118.6
zum aspersten ßpiritus

Der »spiritus asper« ist ein altgriechisches diakritisches Zeichen, das anzeigt, dass ein Vokal »mit Atem«, also vorangehendem »h« gesprochen werden soll.

118.31
Hermann Löns […]wohlgemerkt: ich mag Jenen, ‹gegen Engelland Fahrenden› gar nicht.

Anspielung auf den Refrain von Hermann Löns’ ›Matrosenlied‹:

Gib mir deine Hand,
Deine weiße Hand,
Leb wohl, mein Schatz, leb wohl,
Denn wir fahren gegen Engelland.

Vgl. a. S. 138.18 und S. 139.1

119.29
LENAU: ANNA

Anspielung auf das Gedicht ›Anna‹ von Nikolaus Lenau, dessen Titelheldin ihre Fruchtbarkeit gegen ewige Schönheit eintauscht und dabei auch ihren Schatten verliert. Sie wird von ihrem Mann verstoßen und stirbt einsam.

121.21
‹STRANGERS WHEN WE MEET› […] ‹SECOND ENDING› […] ‹BLACKBOARD JUNGLE› […] ‹A MATTER OF CONVICTION›

Romane von Evan Hunter, von denen Schmidt drei übersetzte: ›Strangers when we meet‹ (›An einem Montagmorgen‹), ›Second Ending‹ (›Aber wehe dem einzelnen‹) und ›A matter of conviction‹ (›Recht für Rafael Morrez‹. ›Blackboard Jungle‹ erschien 1954; s.a. S. 33.39.

122.11
infolgedessn volle 843 am Lager! (‹Vertrack von Verdun› mußte man jedesmal denkn.

 Wikipedia:

Im Vertrag von Verdun wurde am 10. August 843 die Aufteilung des Fränkischen Reichs in Westreich (Frankreich), Ostreich (Deutschland) und Mittelreich (Lothringen) beschlossen.

122.18
(Und was das ‹indiwieduelle Vorgehen› nich geschafft hatte, leistete ergänzend unsere ‹Lumbeck=Kulltur› – […] (Von denen drei=Viertel bereiz aus loosn Blättern beschtandn: Oh Lumbecklumbeck, graußer Lumbeck=Du!)

Als »Lumbecken« bezeichnet man eine 1936 von Emil Lumbeck entwickelte Klebebindung bei Büchern. – Vgl. auch:

›Schutzrede für ein graues Neutrum‹ (1963/64; BA III, 4, S. 348):

Freilich ist es für Angehörige der Lumbeck=Kultur nicht einfach […].

›Zur Notausgabe das Notregister‹ (Februar 1969; BA III, 4, S. 435):

in unserer lüderlichen LUMBECK=Welt

›Zettel’s Traum‹ (1963–1969; BA IV, 1, S. 1174):

Sie reckte Mir […] den Lumbeck=Dreck her

122.20
‹Schnur-Kerramickern›

Wikipedia:

Als schnurkeramische Kultur […] bezeichnet man zusammenfassend einen Kulturkreis der Kupfersteinzeit am Übergang vom Neolithikum zur Bronzezeit. Die Schnurkeramik ist nach der charakteristischen Gefäßverzierung benannt, bei der mit einer Schnur umlaufende Rillenmuster in den Ton eingedrückt wurden […]

122.20
‹Aunjetitzer Kulltuhr›

Wikipedia:

Der Begriff Aunjetitzer Kultur (tschechisch Únětická kultura; benannt nach dem Fundort Únětice/Aunjetitz in Böhmen, nördlich von Prag) bezeichnet eine Sachgütergemeinschaft der Frühbronzezeit im Zeitraum von ca. 2300 v. Chr. bis 1600/1500 v. Chr. Sie geht aus den endneolithischen Kulturen der Glockenbecher und Schnurkeramik hervor.

122.24
‹FROM HERE TO ETERNITY›

Roman von James Jones. – Im Juni/Juli 1958 bot der S. Fischer-Verlag Schmidt den Roman ›Some Came Running‹ von James Jones zur Übersetzung an (s. BAA S. 183), Schmidt lehnte ab.

122.35
Von Einem, der sich selbst ‹SAINT MARTIN› genannt hatte, ‹Le Crocodile; ou la Guerre du Bien et du Mal: Poeme Epico=Magique en CII Chants.›

Louis-Claude de Saint-Martin (1743–1803), frz. Philosoph; schrieb: ›Le Crocodile, ou la Guerre du Bien et du Mal, arrivée sous le règne de Louis XV; Poème épiquo-magique en 102 chants‹, Paris, L’Imprimerie-Librairie du Cercle-Social 1798.

122.38
ein weiland Rackeetist, n gewisser Brown

Wernher von Braun; entwickelte für Nazideutschland die V2, ging 1945 in die USA, wo er ab 1960 die amerikanischen Mondraketen entwickelte.

123.13
HAJJI BABA OF ISPAHAN

›The Adventures of Hajjî Baba of Ispahan‹ (1824) ist ein Roman von James Justinian Morier (1780–1840). Laut Arno Schmidts Tagebuch las Schmidt den Roman am 22. und 23. August 1959. Schmidt besaß zwei Ausgaben (BVZ 569.1 u. 569.2). Am 26. Dezember 1959 schrieb Schmidt an Wollschläger (BHW, S. 215):

Könnte es sein, daß May den Engländer James MORIER gelesen hatte? An einzelnen Stellen des ›HADSCHI BABA‹ oder des ›MIRZA‹ habe ich daran denken müssen.

124.1
Hanley=hier hatte ein dreifaches Register angeferticht

Vermutlich Anspielung auf Miles L. Hanley, Autor von ›Word Index to James Joyce’s Ulysses‹ (1937).

124.11
»Und=Du giepst=mier vom weichn Fühle gefällichst träumend ½ Gehör, ja?«. – (‹Blaff›. – ‹Dormi! Che vuoi tu piú?› .....

Anspielung auf die erste Strophe von Goethes ›Nachtgesang‹:

O gib, vom weichen Pfühle,
Träumend, ein halb Gehör!
Bei meinem Saitenspiele
Schlafe! was willst du mehr?

Goethe hat das Gedicht nach dem Vorbild eines italienischen Volksliedes mit dem Refrain ›Dormi, che vuoi di più‹ (= Schlafe! was willst du mehr?) geschrieben.

124.33
Hodgson, der Mormone

Evtl. eine Anspielung auf den mormonischen Architekten Lewis S. Hodgson.

124.39
und abbaddonnische Namen ohn’ Ende

Offenbarung 9,11:

sie hatten über sich einen König, den Engel des Abgrunds; sein Name heißt auf Hebräisch Abaddon, und auf Griechisch hat er den Namen Apollyon.

125.12
Jean Astruc? – Potz Elohist & Jahwist

Meyer:

Astruc […] Jean, Doktor und Professor der Medizin in Paris, geb. 1684, gest. daselbst 1766, ließ 1753 zu Brüssel die »Conjectures sur les mémoires originaux dont il paroit que Moyse s'est servi pour composer le livre de la Genèse« erscheinen, wodurch er, den Unterschied einer elohistischen und einer jehovistischen Quelle erkennend, zum Begründer der neuern Kritik des Pentateuchs (s. d.) geworden ist.

125.14
(die Mormonen kauten ja genau so wacker an Zarahemla & Liahona.)

›Zarahemla‹ ist im Buch Mormon der Name eines Landes und einer Stadt in Amerika der vorchristlichen Zeit; ›Liahona‹ ist ein besonderer Richtungsweiser. – Bereits am 8. November 1956 bot Schmidt Anersch ein Nachtprogramm über das ›Buch Mormon‹ an (BAA, S. 96), im Mai 1958 schrieb er einen ersten Entwurf zu einem solchen Nachtprogramm (BA Sup 1, S. 201–205), im Mai 1961 arbeitete er das Material zu einem Essay um (›Das Buch Mormon‹, BA III, 4, S. 65–77).

125.15
‹Die Penuel=Sage – Jaqobs Ringkampf mit der Gottheit›.

›Jaqobs Ringkampf mit der Gottheit‹ ist die Überschrift des 51. Kapitels von: ›Genesis‹, übersetzt und erklärt von Hermann Gunkel. Schmidt besaß die 3. Auflage von 1910 (BVZ 806; Besitzervermerk: »Arno Schmidt 19.V.1958«). Der Bericht ist teilweise aus Gunkels Kommentar montiert. – ›Penuel‹ (1. Moses 32.31):

Und Jakob hieß die Stätte Pniel; denn ich habe Gott von Angesicht gesehen, und meine Seele ist genesen

Laut Arno Schmidts Tagebuch beschäftigte er sich bereits am 21. Mai 1958 mit der Sage; am 22.5. notiert er:

Lese Genesis=Kommentar: Hochinteressant!!

127.2
Und das ‹güldene Halsband› PROVERBIEN 11, 21, war im Original n ‹Naasn=Rink› ?!

Die ›Proverbien› sind das ›Buch der Sprichwörter‹, auch ›Sprüche Salomos‹ im AT. Proverbien 11,22 (nicht: 21) lautet:

Ein schönes Weib ohne Zucht ist wie eine Sau mit einem goldenen Haarband.

127.12
Jean Astruc? – Potz Elohist & Jahwist

Der frz. Arzt und Bibelforscher Jean Astruc (1684–1766) gilt als Begründer der modernen Bibelkritik. In einer 1753 erschienenen Studie beschäftigt er sich mit der Unterscheidung einer elohistischen und einer jahwistischen Quelle der fünf Bücher Mose.

127.15
Die Währungs=Tabelle im Buch ALMA 11=5, undsoweiter ‹Senine, Seon, Shum, Limnah.›

›Alma‹ ist ein Buch aus dem dem ›Buch Mormon‹. Vers 11,5 lautet:

Now the reckoning is thus—a senine of gold, a seon of gold, a shum of gold, and a limnah of gold.

127.16
Zweite NEPHI, 5=15 angeblich etwas über Bearbeitunk ?

›Nephi‹ ist ein Buch aus dem ›Buch Mormon‹. 2. Nephi 5,15 lautet:

And I did teach my people to abuild buildings, and to work in all manner of wood, and of iron, and of copper, and of brass, and of steel, and of gold, and of silver, and of precious ores, which were in great abundance.

127.25
‹Cardinal Spellman›

Vermutlich Anspielung auf Francis Joseph Kardinal Spellman (1889–1967), Erzbischof von New York und Leiter der Militärseelsorge der USA.

129.2
Unwirrsch

»Hans Unwirrsch« ist der Name des Helden in Wilhelm Raabes Roman ›Der Hungerpastor‹.

129.25
»Es handelt sich allerdinx mehr um Beta=Orionis, mein Kint.«

»Beta Orionis« ist der astronomische Name für Rigel, den hellsten Stern im Sternbild Orion.

129.28
Wenn vom Juh=Pieter – und den übrijen Schternen – uns auch Schallwellen erreichtn. Und daselbst Glockn wären : wir würden in einem immerwährenden Todtengeläut wandeln

Wenn vom Jupiter und übrigen Sternen, wie Lichtwellen auch Schallwellen kämen, und auch daselbst verhältnissmässige Glocken wären: so würden wir in einem unausstehlichen immerwährenden Todtengeläute wandeln

Zitat aus dem bereits auf S. 55 zitierten Brief von Bolyai-Sartorius von Waltershausen an Carl Friedrich Gauß vom 13. Juli 1856.

129.31
Sie liepte, es ist Frauenweise, solche Youngsnachtgedankn

S. den Kommentar zu S. 116.26

130.39
Unt ‹DAHEIM›; im ‹VATERHAUS›

›Daheim. Ein deutsches Familienblatt mit Illustrationen‹, illustrierte Zeitschrift, die von 1864 bis 1943 erschien; zu ›Vaterhaus‹ s. Kommentar zu S. 93.34.

132.1
‹1 Nachtgeschirr aus GOLD›

Thomas Morus, ›Utopia‹:

Denn da sie aus zwar sehr zierlichen, aber billigen thönernen und irdenen Gefäßen essen und trinken, so verfertigen sie aus Gold und Silber Nachtgeschirre und andere zu niedrigstem Gebrauche bestimmte Gefäße für die gemeinschaftlichen Hallen sowohl als für Privathäuser.

Evtl. auch eine Anspielung auf E. Th. A. Hoffmanns ›Der goldene Topf‹. Am 19. August 1813 schrieb Hoffmann an seinen Verleger Carl Friedrich Kunz

[…] der Jüngling […] wird in unendliche wahnsinnige Liebe verstrickt für eine der grünen – er wird aufgeboten – getraut – bekomt zur MitGift einen goldenen Nachttopf mit Juwelen besezt – als er das erstemahl hineinpißt verwandelt er sich in eine Meerkater u. s. w. […]

132.4
Und grätschelte immer noch über der Kanne; ‹CHAMBER=MUSIC›; (obwohl die Aneckdote nich schtimmt: Stanislaus Joyce beschtreitetz; und sein Zeugnis wiegt 6 Gormans auf.

»The title ›Chamber Music‹ was reportedly a pun relating to the sound of urine tinkling in a chamber pot« (heißt es hier, Gormans Joyce-Biographie selbst liegt mir aktuell leider nicht vor). Die Biographie bekam Schmidt lt. Tagebuch am 12. Juni 1959 und notiert dazu: »Ich lese den Gorman - nicht gut!« Zur angeblichen Bedeutung des Titels ›Chamber Music‹ schreibt Stanislaus Joyce in ›Meines Bruder Hüter‹ in der Übersetzung von Arno Schmidt, an der Schmidt von März bis Oktober 1959 gearbeitet hat (S. 276 f.):

Ich hatte für die Sammlung bereits den Titel ›Kammermusik‹ vorgeschlagen, und Jim hatte eingewilligt. Eine andere Version bezüglich des Ursprungs dieses Titels, steht in Herbert Gormans Biografie meines Bruders; aber die dort wiedergegebene Anekdote – die die Fantasie diverser amerikanischer Kritiker gekitzelt zu haben scheint, und Anlaß zu mindestens einem Buch geworden ist –, woher auch immer sie stammen mag, ist falsch.

132.34
Auch Karlmay=Seine war schließlich erst Gul=i=Schiras geweesn; dann Pekala;

Gul-i-Schiras und Pekala sind zwei Frauenfiguren aus ›Im Reiche des silbernen Löwen‹. Gul-i-Schiras (»Rose von Schiras«) ist eine persische Prinzessin; Pekala (»die Köstliche«) eine Köchin, die zuerst als zwar einfältig, aber gutmütig und hilfsbereit dargestellt, später aber durch Dummheit, eine Liebesaffäre mit dem Aschyk und Schwatzhaftigkeit zur Verräterin wird. In dieser Figur porträtierte May seine erste Frau Emma Pollmer, von der er sich im Januar 1903 – während der Arbeit am Roman – scheiden ließ.

133.33
das vergaß sie Rappatzkie’s nie! (Einerseiz mit Recht. Andererseiz ist jener Plan natürlich ...)

Der polnische Außenminister Adam Rapacki schlug erstmals 1957 die Schaffung einer atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa vor. – Am 23. Oktober 1959 schrieb Schmidt an Wollschläger (BHW, S. 199):

Nochmals Dank & Gruß!: Es lebe der Rapacki–Plan !

Am 27. Oktober 1959 an Wilhlem Michels (BWM, S. 134):

Heute soll die Tass das erste Foto von der Mond=Rückseite gebracht haben : es lebe der Rapacki=Plan!

Am 23. November 1959 antwortete er auf die Frage, was ihn »im letzten Jahr am meisten […] gefreut« habe (BA Sup 2, S. 201):

Der Rapacki-Plan

135.6
»Im Weiden=Nest.« […] »Das Zümmbaal des Moondes. Von Fetzen umlappt.« (Hertha; a la ‹3 Ziegeuner fand ich einmahl›.)

Anspielung auf ›Die drei Zigeuner‹ von Nikolaus Lenau:

Die drei Zigeuner
Drei Zigeuner fand ich einmal
Liegen an einer Weide
Als mein Fuhrwerk mit müder Qual
Schlich durch sandige Heide.

[…]

Und der dritte behaglich schlief,
Und sein Zimbal im Baum hing,
Ueber die Saiten der Windhauch lief,
Ueber sein Herz ein Traum ging.

An den Kleidern trugen die drei
Löcher und bunte Flicken,
Aber sie boten trotzig frei
Spott den Erdengeschicken.

[…]

137.8
Dahin=dahin möcht’ich mit Dir

Zitat aus dem Lied der Mignon im ersten Kapitel des dritten Buches von Goethes ›Wilhelm Meisters Lehrjahre‹:

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,
Kennst du es wohl?
Dahin! Dahin
Möcht' ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn!

137.13
Und hoch, in die Kreisschlösser

In seinem im Februar 1959 geschriebenen Dialog ›Die Kreisschlösser‹ beschreibt Schmidt Gruithuisens Theorie eines bewohnten Mondes (BA II, S. 239–241):

A.: Beim Sinus Hipponiates sieht er mehrere der Trampelpfade zusammenlaufen: »Werden hier Wallfahrten her gemacht? Oder wird da Bergbau betrieben? Haben die Mondbewohner auch Straßen unter dem Boden? Die Umstände erzeugen bey ihnen allerdings ein Bedürfnis der Wanderungen auch bey Nachtzeit.« – Vielleicht erleben wir noch, wie diese Gruithuisenschen Theorien von lunarischen Untergrundbahnen zwischen den einzelnen Kreisschlössern befahrbarste Wirklichkeit werden. […]

[…]

A.: Unvergessen jedoch sei der letzte Vorschlag des quijotisch=ingeniösen Mannes. Um eine direkte Verständigung mit den von ihm vermuteten Seleniten aufzunehmen, erkannte er die einzige Möglichkeit in der – notwendigerweise auch Jenen geläufigen – Geometrie: Wer Städte bauen kann, muß Mathematiker sein! Also proponierte er der Petersburger Akademie der Wissenschaften: in den Weiten Sibiriens riesige Steckrübenfelder anzulegen, in der Figur des Pythagoräischen Lehrsatzes. Ein leeres rechtwinkliges Dreieck; die Quadrate der Katheten, wie das der Hypothenuse, farbig bepflanzt. Nicht lange würde man, so vermeinte er, zu harren haben, um die entsprechende optische Antwort neben einem seiner Kreisschlösser zu erblicken.

137.25
Und wenn mir auch die Ent=Rüstung nicht gelungen war: die Entrüstung scholl & groll so voll & echt, wie das Glück von Edenhall;

›Das Glück von Edenhall‹ ist ein Gedicht von Ludwig Uhland:

Der Schenk vernimmt ungern den Spruch,
Des Hauses ältester Vassall,
Nimmt zögernd aus dem seidnen Tuch
Das hohe Trinkglas von Kristall,
Sie nennen's: »das Glück von Edenhall«.

[…]

Und als das Trinkglas gellend springt,
Springt das Gewölb mit jähem Knall,
Und aus dem Riß die Flamme dringt;
Die Gäste sind zerstoben all
Mit dem brechenden Glücke von Edenhall.

[…]

»Die Steinwand«, spricht er, »springt zu Stück,
Die hohe Säule muß zu Fall,
Glas ist der Erde Stolz und Glück,
In Splitter fällt der Erdenball
Einst gleich dem Glücke von Edenhall.«

137.31
wyandottisches Kint […] echte Wyandotten & Leghorns

Wyandot sind ein Indianerstamm der Huronen; unter anderem von James Fenimore Cooper in seinen ›Ledestrumpf‹-Romanen geschildert, Cooper schrieb auch einen Roman ›Wyandotté‹. Gleichzeitig bezeichnen »Wyandotten & Leghorns« zwei amerikanische Haushuhnrassen.

137.36
Potz greengages & Celler Dickschtiel

Greengage ist eine Pflaumen-, Celler Dickstil eine Apfelsorten.

138.1
»Wer sein altes Heim verläßt, pflegt vorher für 1 neues zu sorgen. –: WirsDu=Dir, wenn Du schtirpst, eine himmlische Wohnung gesichert habm?«

Zitat aus Karl Mays ›Himmelsgedanken‹ (S. 42):

Wer sein altes Heim verläßt, pflegt vorher für ein neues zu sorgen. Wirst du dir, wenn du stirbst, eine himmlische Wohnung gesichert haben?

138.18
‹Heute wollen wir 1 Liedlein singönn: trinken wollän wir den kühlen Uain›

Beginn von Hermann Löns’ ›Matrosenlied‹, s.a. 118.31 u. 139.1.

138.35
Billy Grähämm

Der als »Maschinengewehr Gottes« bekannte und sehr einflussreiche US-amerikanischer Erweckungsprediger Billy Graham (1918–2018).

139.1
‹Denn wir fah=ränn: Dänn wir fah=ränn …›

Zitat aus Löns’ ›Matrosenlied‹; vgl. a. S. 11831 und S. 138.18.

142.6
‹A=Hura=Mass=da› Ahriman=Mirrtza

Ahura Mazda ist der Schöpfergott im Zoroastrismus; Ahriman Mirza ist in ›Im Reiche des silbernen Löwen‹ der Anführer der Verbrecherbande der Schatten (»Fürst der Schatten«). Schmidt sah in dieser Figur eine Spiegelung Friedrich Nietzsches.

142.26
Und wieder am härenen Brust=Harnisch nesteln. Und scheitern. Nesteln?: Scheitern. So mochte auch=Tasso an seiner Prinntzessin gescheitert sein; an seinem Felsen, an dem er sich festhaltn wollte; fest=klammern sogar wohl, glaub’s gern.

Anspielung auf den Schluss des 5. Aktes von Goethes ›Tasso‹:

TASSO.
O edler Mann! Du stehest fest und still,
Ich scheine nur die sturmbewegte Welle.
Allein bedenk, und überhebe nicht
Dich deiner Kraft! Die mächtige Natur,
Die diesen Felsen gründete, hat auch
Der Welle die Beweglichkeit gegeben.
Sie sendet ihren Sturm, die Welle flieht
Und schwankt und schwillt und beugt sich schäumend über
In dieser Woge spiegelte so schön
Die Sonne sich, es ruhten die Gestirne
An dieser Brust, die zärtlich sich bewegte.
Verschwunden ist der Glanz, entflohn die Ruhe.
Ich kenne mich in der Gefahr nicht mehr,
Und schäme mich nicht mehr es zu bekennen.
Zerbrochen ist das Steuer und es kracht
Das Schiff an allen Seiten. Berstend reißt
Der Boden unter meinen Füßen auf!
Ich fasse dich mit beiden Armen an!
So klammert sich der Schiffer endlich noch
Am Felsen fest, an dem er scheitern sollte.

143.13
Unt dem ab=tragenden Whig=Tory=Görrl den – gemäß Raumschiffahrts=Ordnunk § 843, Absatz zwo vorgesehenen – letzten Kuß raubm .....

Die liberalen Whigs und die Konservartiven Tories waren bis Mitte des 19. Jahrhunderts die beiden einzigen Parteien des britischen Unterhauses. – Zu »Victory Girl« schreibt encyclopedia.com:

Though she often resists exact definition, the victory girl was generally a teenaged girl or young woman who exhibited her patriotism by offering companionship, and often sex, to servicemen during World War II. […] The behavior of victory girls was hardly new; so-called patriotic prostitutes and charity girls attracted the concerned attention of Progressive reformers and military officials during World War I.

145.27
»Scheol! –: Scheol!«

Pierer:

Scheol, bei den Hebräern die gemeinsame Behausung aller Gestorbenen, s.u. Hölle.

145.29
‹Ich bin der sexische Gesandte Gloobig›

Hans August Fürchtegott von Globig (1773–1832) war 1814–1815 sächsischer Gesandter beim Wiener Kongress, 1815–1819 Gesandter in Berlin und 1819–1821 sächsischer Gesandter zur Bundesversammlung in Frankfurt. – Es ist folgende Anekdote überliefert:

Ein Herr v. Globig, aus einer alten sächsischen Familie, war Gesandter in Berlin. Als er einst mit der Extrapost das Thor passirte, trat der wachhabende Unteroffizier an den Wagenschlag und bat um Angabe des Namens. »Ich bin der sächsische Gesandte Globig.« Allein der Unteroffizier war damit nicht zufriedengestellt. »Glob’ ich hin, glob’ ich her», wendete er ein, »ich muß es genau wissen.« (Globen = glauben.)

Schmidts Quelle ist noch unklar, hier zitiert nach ›Skizzen und Studien‹ von Friedrich Giehne (Würzburg, 1871, S. 128)

146.29
Broca’schn Windung

Der französische Arzt Paul Broca (1824–1880) lokalisierte das Sprachzentrum im Gehirn.

147.13
(‹Wille wau=wau=wau, vito: Huh!›):

Refrain aus Goethes Gedicht ›Zigeunerlied‹:

Im Nebelgeriesel, im tiefen Schnee,
Im wilden Wald, in der Winternacht,
Ich hörte der Wölfe Hungergeheul,
Ich' hörte der Eulen Geschrei:
Wille wau wau wau!
Wille wo wo wo!
Wito hu!

147.17
das gewisse ‹filosofische Schtaun’n› des Herrn Aries Tottle.

Das »Staunen« ist für Aristoteles der Beginn des Philosophierens. Die Verschreibung des Namens hat Schmidt vermutlich aus E. A. Poe’s ›Heureka‹ (das Schmidt später für die Poe-Ausgabe übersetzte):

[…] there lived a Turkish philosopher called Aries and surnamed Tottle. […] Aries Tottle flourished supreme […].

s.a. Wollschlägers Kommentar zum Manuskript von ›Sitara‹ in einem Brief vom 8. Januar 1963 (BWH, S. 525):

Verzeihung –, aber ist der Satz vom Staunen als dem Anfang aller Philosophie wirklich von Aristoteles –? und nicht vielmehr von Platon –?

147.22
Nur die klein’n 2 und 3 Mann=Geschosse, die ‹Shooting Stars›, funktzjoniertn noch.

»Shooting Star« war der Name eines Düsenjägers der USA (Lockheed P-80), der von 1945 bis 1950 produziert wurde. Wolf-Dieter Krüger wies darauf hin, dass ein Düsenjäger auf dem Mond mangels Sauerstoff natürlich nicht »funktzjonieren« würde.

147.38
Wir sind auf dem Lande, Rose von Nowgorod

›Die Rose von Nowgorod‹ ist die Titelmusik von Nino Rota zum Film ›Krieg und Frieden‹ (1956; R King Vidor); als Schlager gesungen von Zarah Leander.

147.48
[…] ‹Untertan der Obrichkeit›; (und hatten nicht übel Lust zu den feinstn Unterschiedn; wie nur je 1 deutscher Bischoff […]).

Gemeint ist Otto Dibelius; s. Kommentar zu S. 48.18

148.23
Schroeter’s Regel› […] ‹For each crater, the part of the material above the surface: is approximately equal, to the volume of the interior depression below.›

Eine auf den Astronomen Johann Hieronymus Schröter (1745–1816) zurückgehende Faustregel zur Massenbestimmung von Mondkratern; vgl. dazu den dritten Zettel zu Schmidts ›Lilienthal‹-Projekt (BA Sup I, S. 68):

Die ›Schrötersche Regel‹: Randgebirge füllt den Krater!

148.27
(: Ihr immponniert ma nich, von HEVEL bis BALDWIN – man hat schließlich ne gute Schule besucht!).

Johannes Hevelius (1611–1687), dt. Astronom; Ralph Belknap Baldwin (1912–2010), amerik. Mondforscher.

148.34
Kristian Karl Gottlieb Eysenhard […] sinnreichen Lambert

Christian Carl Gottlob Eyßenhardt (?–?) deutscher Astronom; Johann Heinrich Lambert (1728–1777, elsäss. Universalgelehrter.

149.3
1.) im MARE CRISIUM […] gewesen sein müßte.

Zitate aus einem Brief von Eyßenhardt an Lambert vom 6. August 1774; abgedruckt in: ›Joh. Heinrich Lamberts […] deutscher gelehrter Briefwechsel‹, hg. v. Joh. Bernoulli, Berlin, Buchhandlung der Gelehrten 1782, Bd. 2, S. 283–286. Die Informationen zu Eyßenhardt entnahm Schmidt der Fußnote von Bernoulli:

Herr Christian Carl Gottlob Eyßenhardt, von Berlin, ein für die mathematischen Wissenschaften und die Astronomie viel zu früh verstorbener Liebhaber derselben, welcher von Lambert selbst darzu gezogen worden […].

150.14
Keinkitzler, keinkitzler. (Kann brennen so heiß .....

Anspielung auf das bekannte Volkslied (erstmals 1807 veröffentlicht):

Kein Feuer keine Kohle kann brennen so heiß,
Als heimlich Liebe, von der niemand nichts weiß.

150.18
‹Schroeters Rule›

S. 148.23

150.18
Und die Kreisschlösser rutschtn unter uns hinweck

Zu den »Kreisschlössern« des Franz de Paula Gruithuisen s. S. 137.13.

150.19
Potz Pastorff & Greutheusen

Johann Wilhelm Pastorff (1767–1838, dt. Astronom.

Franz Paula von Gruithuisen (1774–1852) dt. Astronom.

150.20
1 Logarittmentafel; ne zehnschtellije: Wegawega

Der slowenische Mathematiker Georg von Vega (1754 od. 1756–1802) schrieb die zehnstellige Logarithmentafel ›Thesaurus logarithmorum completus‹, über deren Fehler Schmidt sich mehrfach ausgelassen hat; s. a. S. 272 f.

150.29
Auch ich war reif für eine ‹Barmherzigkeiz=Tasse› – : »Ein Humpen Kaffe Zucker Branntwein gemischt. Vo’m gewissn Jourdan erfunden […] »Nu; neidische Kolleegn nannten ihn ‹Coupe=Tête›.«

Mathieu Jouve Jourdan (1764–1794); frz. Revolutionär mit dem Beinamen »coupe-tête«, Kopfabschneider. Die »Barmherzigkeiz=Tasse« kannt Schmidt vermutlich aus dem ›Revolutions=Almanach von 1800‹, den er lt. Tagebuch am 4. Februar 1960, während der Reinschrift an ›Kaff‹, von Bläschke bekam (BVZ 850). Darin heißt es auf S. 172 f.:

Jourdan war von niedriger Herkunft, stark von Körper, plump von Geist, heftig von Karakter, und besaß einen zügellosen Hang zum Trinken und zu den Frauenzimmern. Doch war sein Herz im Laster nicht verhärtet, und alle menschliche Empfindung in ihm noch nicht erstickt. Mehr als ein Mahl sah man ihn die Hand den Unglücklichen reichen, und über seine Greuelthaten seufzen; dann bedurfte es der starken Getränke, um sein jähzorniges Temperament wieder anzufeuern. Die Barmherzigkeits=Tasse, ein großer Humpen voll Kaffee, Zucker und Branntewein, krönte seine Orgien, und betäubte seine Gewissensbisse. Alsdann kannte seine Wuth keine Grenzen.

151.32
‹Tücke des Opp=Jeckts›

Die bekannte Redensart von der »Tücke des Objekts« geht auf Friedrich Theodor Vischers Roman ›Auch Einer‹ (1879) zurück.

151.38
Handel=Mazetti, ‹Monografie der Gattung Taraxacum›

Botanisches Lehrbuch des österreichischen Botanikers Heinrich Raphael Eduard Handel-Mazzetti (1882–1940); »Taraxacum« ist der botanische Name für Löwenzahn.

154.32
Parrakleet

Der Begriff Paraklet wird mehrfach im Johannes-Evangelium benutzt und wird üblicherweise mit dem Heiligen Geist gleichgesetzt. – Am 16. Dezember 1955 schrieb Schmidt an Roland Schmid (KMV; BHW, S. 857):

Zumindest aber werde ich auf Dinge hinweisen, wie sie etwa in der 20. Auflage von »Ich« Seite 239 stehen; wo Sie auf Zeile 3 von oben von der Klinge sprechen, »die in der Faust der Vorverkünders funkelt«. Es ist natürlich eine unglaubliche schulmeisterliche Platitüde, den »Parakleten«, der ursprünglich hier stand, und der ja ein religionsgeschichtlicher Begriff ist, dergestalt, – und dazu noch so kakophonisch – zu übersetzen!

›Vom neuen Großmystiker‹ (Dialog, Januar 1956, BA II, 1, S. 213):

1. Sprecher: […] »Schrei nicht, o Scheik; ich sage Dir, schrei nicht! / Denn wer da schreit, ist dieser Qual nicht wert; / wird weggeworfen in den Brack und Plunder, / und muß dann wieder eingeschmolzen werden. / : Du aber willst zum Stahl, zur Klinge werden, / die in der Faust des Parakleten funkelt : / Sei also still!«

2. Sprecher (unterbrechend): Was sind das für Verse?!

1. Sprecher: Eine Probe aus dem einzigen Bühnenwerk Mays – allerdings die ‹schöne Stelle› […].

154.36
‹Je sème à tout vent› – wo hatt’ich das Motto schnell noch geleesn? Vorm Großen LAROUSSE?

Frz.: »Ich säe aus in alle Winde«; Motto des Wörterbuch-Verlags Édition Larousse zum Bild einer Frau, die die Samen eines Löwenzahns (Pusteblume) wegbläst (Abbildung hier); der ›Grand Larousse illustré‹ ist eine dreibändige Enzyklopädie.

154.39
Potz Achänen & Pappushaare

»Achäne« ist der botanische Name einer Sonderform der Nussfrucht, die u. a. bei den Korbblütlern wie etwa Löwenzahn vorkommt.

»Pappus« ist der botanische Name für den Haarkranz auf den Früchten der Korbblütler.

155.14
Und machte ‹die Kehre› zu mir

s. Kommentar zu S. 80

155.33
» ‹Ver=Gewalltijen›?: Mein lieber Kardel! – Wir haam das ma probeweise versucht, Dein Onnkl Lutwich & Ich: op er mich, alln Ernsdis, vergewalltijn könn=te ...«

Schmidt verarbeitet hier eine briefliche Mitteilung von Dorothea Schlotter vom 8. Dezember 1957 (BES, S. 63):

Ich mußte daran denken, daß ich mal mit Eberh. »rücksichtslos« probierte, ob er mich vergewaltigen kann. Es war nicht möglich.

156.7
Aber sie war & bliep unzufriedn. Rumohrte & schimmfte leis’.

Im Interview mit dem NDR erläutert Schmidt die Schreibweisen in ›Kaff‹ u.a. mit diesem Beispiel (BA Sup 2, S. 15):

[…] an einer Stelle »rumohren« Töpfe auf dem Küchenherd, das schreibe ich mit »h«, weil jeder mit der älteren Literatur bekannte Leser sofort an den Baron von Rumohr denkt, an den Verfasser des »Geistes der Kochkunst« […]

Ähnlich auch in ›Das Geheimnis von Finnegans Wake‹ (BA II, 2, S. 473):

Wenn, meinethalben, in einem Buch auf dem Küchenheerd Töpfe & Pfannen lecker rumohren : dann muß es mir erlaubt sein, dies mit einem ‹h› zu schreiben; Hinweis auf den Verfasser des Geistes der Kochkunst.

157.2
FEAR FAMINE & SLAUGHTER

›Fire, Famine, and Slaughter: a War Eclogue‹ ist ein Gedicht von Samuel Taylor Coleridge (1772–1834) aus aus dem Jahr 1797.

157.25
Beruflich?: ne Null: n Scheiß=Lagerbuchhalter bei FALK; mit 420 Mark=brutto im Monat.

Karl Richter bewegt sich am unteren Ende der Gehaltsskala, sein Gehalt entspricht ungefähr dem der Leistungsgruppe IV, das 1959 bei durchschnittlich 444 DM lag. Weniger verdienten nur noch Angestellte der Leistungsgruppe V, die durchschnittlich 387 DM im Monat verdienten. Das durchschnittliche monatliche Bruttogehalt der Leistungsgruppe III lag bei 647 DM (s. BB 20).

158.1
Schöpf=Löffel – oder war’s 1 Écumoir?

»Écumoir«, frz. für »Schaumlöffel«; Anspielung auf das erotische Märchen ›Tanzai und Neadarne oder Der Schaumlöffel‹ von Claude-Prosper-Jolyot de Crébillon; s. a. S. 78.4.

159.3
Laufjägerlauf!

Refrain des Volksliedes ›Ein Jäger längs dem Weiher ging‹:

Ein Jäger längs dem Weiher ging,
lauf, Jäger lauf!
Die Dämmerung den Wald umfing.
Lauf Jäger, lauf Jäger,
lauf, lauf, lauf,
mein lieber Jäger, guter Jäger,
lauf, lauf, lauf,
mein lieber Jäger lauf,
mein lieber Jäger lauf.

[…]

159.13
‹Vor Sonnenaufgang›

Drama von Gerhart Hauptmann (1862–1946).

160.31
bommbmsicher. (Was das übrijens auch wieder für’n Rint gewesn sein muß, der als Erster ‹Bombe› mit ‹sicher› verkuppelt hat! […]

Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes meint nicht »Bomben, die sicher treffen«, sondern »sicher vor Bomben«.

161.8
‹Sans=Ear›

Name einer Figur in Karl Mays Roman ›Winnetou III‹ (bzw. in der Erzählung ›Deadly Dust‹, die May in ›Winnetou III‹ übernahm), die ihre Ohren im Kampf mit Indianern verloren hat. Ihr bürgerlicher Name ist Sam Hawerfield.

162.18
‹S=tochastische TecksDe›

›Stochastische Texte‹ ist ein Aufsatz von Theo Lutz, der in Heft 1/1959 der von Max Bense herausgegebenen Zeitschrift ›der augenblick‹ erschien und in dem Lutz sein Verfahren zur Gewinnung computergenerierter Text erläutert:

Es soll hier an dieser Stelle berichtet werden über ein Programm, das der Autor neulich auf der elektronischen Großrechenanlage ZUSE Z 22 im Rechenzentrum der T.H. Stuttgart durchgeführt hat. Die Maschine wurde verwendet zur Erzeugung von stochastischen Texten, von Sätzen also, deren Wörter zufallsmäßig bestimmt werden.

Am 21. Oktober 1959 besucht Max Bense Arno Schmidt, der am 26. Dezember an Hans Wollschläger schreibt (BHW, S. 216):

Prof. Bense war da. (Hat sich aber auf die schlechte Seite gelegt; ist nur noch für die ›konkreten dichter‹; und schwärmt für die vom stuttgarter Elektronengehirn gelieferten Texte. – Ich habe ihm, zur Rektifikation, empfohlen, das 5. Kap. im 3. Teil des GULLIVER zu lesen; aber so, wie Der zur Zeit den betreffenden neuesten Thyrsos schwingt, ist er imstande, und zitiert’s noch als ›historische Bestätigung‹!)

165.5
IN THE DAYS OF THE COMET

Roman von H. G. Wells, in dem ein Komet dem Stickstoff in der Atmosphäre in ein atembares, stärkendes und heilkräftiges Gas verwandelt, das das Leben auf der Erde in ein paradiesisches Utopia verwandeln kann.

165.34
‹Schlacht von Waddekath›

Waddekath ist ein Ort in Sachsen-Anhalt, direkt an der Grenze zu Niedersachsen, rund 30 km östlich von Bargfeld.

165.37
Uppsa=Roka

Die Upsarokas sind ein ein Indianerstamm in Montana; treten bei Karl May in verschiedenen Romanen und Erzählungen auf.

167.16
(und dies war der linke Daum’): […] (Der schüttelt die Flaum’)

Beginn des bekannten Kinderreims:

Das ist der Daumen, [Daumen]
der schüttelt die Pflaumen, [Zeigefinger]
der hebt sie auf, [Mittelfinger]
der trägt sie nach Haus, [Ringfinger]
und der Kleinste, der isst sie alle auf! [Kleiner Finger]

170.12
»Nur Männern mit Fernrohr will ich gehören …«. : »So?!: Wenn demnach der Diereckter von Maunt Pallomarr käm’ – : der dürfte sich sofort festsaugn?«

Das Hale-Teleskop des Mount Palomar Observatory war von 1947 bis 1975 das größte Fernrohr der Welt. Mit dem zum Observatorium gehörendem Schmidt-Teleskop (»Big Schmidt«) wurde in den 1950er Jahren die Palomar Observatory Sky Survey aufgenommen.

171.23
ausgeschprochen gemsengleich: Vivat Capella Hampdenii! Fehltn nur noch Hörnchen & Brunstfeige .....

Aus dem Artikel ›Gemse‹ (Meyers Großes Konversations-Lexikon‹ von 1905:

Gemse (Gems, Capella Blas. et Keys.). Huftiergattung aus der Familie der Horntiere […]. Sie ist gedrungen gebaut, mit […] 25 cm langen, drehrunden, schwarzen, geringelten, gerade aufsteigenden, an der Spitze glatten, glänzenden, rückwärts gebogenen Hörnern (Krickeln) bei beiden Geschlechtern. Hinter letztern befindet sich eine in einen Drüsensack führende Höhle (Brunstfeige), aus der sich zur Brunstzeit eine schmierige, übelriechende Masse absondert.

173.12
(Und dieser Gesichz=Ausdruck=jetz!): »Hertha! –: Was würde Lawwatter dazu sagn. –«

Johann Kaspar Lavater (1741–1801) entwickelte in seinen ›Physiognomischen Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe‹ eine Theorie der Physiognomik.

173.39
Schtock & Hut & Wohlgemuth

Zitat aus dem bekannten Kinderlied ›Hänschen klein‹:

Hänschen klein
Ging allein
In die weite Welt hinein.
Stock und Hut
Steht ihm gut,
Ist gar wohlgemut.

174.13
Potz Gugel & Zaddeltracht

Pierer’s Universal Lexikon:

Gugel (v. lat. Cucullus), 1) die Kopfbedeckung der alten ägyptischen Mönche (auch der Benedictiner etc.), welche mit einer Art von Halskragen versehen, nicht am Kleide befestigt, sondern frei über den Kopf gelegt wurde u. die Achseln bedeckte; dann auch 2) die Kappe der Hofnarren, überhaupt Narrenkappe; 3) Deckgarbe der Getreidemandeln.

Meyers Großes Konversations-Lexikon:

Zatteltracht (Zaddeltracht), eine mittelalterliche Kleidermode, bei der die untern Säume der Oberkleider und der Ärmel ausgezackt oder ausgezattelt wurden. […]

174.14
Im Vorraum : Seitentreppe : Opferkasten; (mit Prospecktn; da nehm’ ich nachher 1 mit)

Im Nachlass Arno Schmidts findet sich folgendes, vierseitiges Blättchen:

Die ev.=luth. Kirche zu Hankensbüttel. Das Bauwerk und seine Geschichte. Dargeboten von Pastor Kurt Bode.

174.32
gleich hinterm Großen Kain

»Großer Kain« war der Name einer Gaststätte in der Nähe von Schmidts Wohnort Bargfeld. Sie lag ca. 10 km östlich von Eldingen an der Kreuzung der Landstraße L 282 und der Bundesstraße B 4. (Hinweis von Wolf-Dieter Krüger.)

175.3
Und schwartze Höllenhabichte harpy=niertn von oben

Brockhaus 1911:

Harpyĭen, in der griech. Mythologie geflügelte, windschnelle, später gewöhnlich mit weiblichem Ober- und Vogelunterkörper dargestellte dämonische Wesen.

175.8
evzonenhaft enger gegürtet

Evzones, gr.: Wohlgegürtet. Leicht bewaffnete königlich-griechische Leibgarde.

175.13
Tat schon wieder maulhängkolisch.

Deutsches Wörterbuch:

MAULHENKOLISCH, adj. witzige umänderung von melancholisch, im 16. jahrh. aufgekommen […]

177.16
Tchaa: was Schpreu was Trespe?

Brockhaus, ›Kleines Konversationslexikon‹, 1911:

Spreu, Kaff, beim Ausdreschen der Körnerfrüchte abfallende Spelzen, Samenhüllen, Grannen, vermischt mit Blättern und Stengelteilen.

Brockhaus, ›Bilder-Conversations-Lexikon‹, 1837:

Trespe, eine Gattung Gräser, von welcher mehre theils ein- und zweijährige, theils ausdauernde Arten als lästige Unkräuter auf den Äckern vorkommen […]

177.25
HOCHZEITZ=ZUCK AUF TROLDHAUGEN

Klavierstück von Edvard Grieg (›Bryllupsdag på Troldhaugen‹).

178.22
Machtn ‹die Kehre› –: »SiehsDu: Dillert. Genau.«

s. Kommentar zu S. 80

179.5
zumindest für die Zeit meines Vaters & meine=eigene darf ich es behauptn: es gab keinen größeren Sauschtall auf Erdn […] als das deutsche Milliteer. – Heute ist’as freilich, ich las es erst neulich in einem SPD=Organ, gans=gans anders.

›Kühe in Halbtrauer‹ (BA I, 3, S. 343; geschrieben Juli 1961):

Und nicht Einer hatte für ‹Kasernen› ‹Soldatenställe› gesagt – zugegeben; wir kannten lediglich die der Hitlerzeit; die=heute sollten freilich, ich hatte es erst jüngst wieder in der SPD=Presse gelesen, ganz anders sein, und gar nicht zu vergleichen.

›Sitara und der Weg dorthin‹ (BA III, 2, S. 116; geschrieben 1962/63):

Wie allgemein akzeptiert & verstanden auch diese Art der Symbolik ist, wie so ‹tief in unserem Volke verankert›, sah ich einmal beim Militär Hitler’s: als Schießpreis eine Scheibe, darauf ein nacktes Mädchen mit dem Genitale als Zentrum und dieser Legende am Rande, ‹Und ist das Schwarze noch so klein, / es muß ein jeder Schuß hinein!›. (Heute freilich soll das, ich las es erst neulich in einer SPD=Zeitung wieder, ganz anders sein.)

180.22
(Gans fern hörte man, drüben, orgeln : Orgelljuse Organon Organdy & Orgasmus.)

Orgeluse ist im ›Parzival‹ die schöne und stolze Frau Gawans, Herzogin von Logroy; Organon (gr. »Werkzeug«) ist der Sammeltitel für die Schriften Aristotels’ zur Logik, in denen diese als Werkzeug der Wissenschaft und zur Wahrheitsfindung beschrieben wird, aber auch der Name einer Wasserorgel; Orangdy ist ein fester, transparenter Batist, der etwa für Gardinen, Schleier oder Brautkleider benutzt wird.

181.30
Potz Cramer & Schlenkert

Carl Gottlob Cramer, (1758–1817) schrieb zahlreiche Räuber- und Ritterromane; Friedrich Christian Schlenkert (1757–1826) schrieb u.a. Ritterspiele und Romane.

183.22
Potz Iskander & Proskynesis

»Iskander« ist die arabisch-türkisch-persische Form des griechischen Namens Alexander, meint fast immer Alexander den Großen, »Proskynesis« die Anbetung.

183.26
Und der Schtab entpurzelte meiner Schulter?!

Karl Richters Kratersturz entlehnt Motive und Formulierungen aus Jules Vernes Roman ›Schwarz-Indien‹, in dem Harry Ford in einem Bergwerksschacht von einer Schnee-Eule angegriffen wird. Eine detaillierte Gegenüberstellung findet sich im BB 20.

185.6
Hing sich ans Seil=über=mir; (unt das mohralische Gesetz in mir?

Anspielung auf den berühmten »Beschluß« von Kants ›Kritik der praktischen Vernunft‹:

Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmenden Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir.

185.19
Soup. of the Evening. –: BJUHTIEFULL SUUUP:

Zitat aus dem 10. Kapitel von Lewis Carrolls ›Alice’s Adventures in Wonderland‹:

Beautiful Soup, so rich and green,
Waiting in a hot tureen!
Who for such dainties would not stoop?
Soup of the evening, beautiful Soup!
Soup of the evening, beautiful Soup!
⁠Beau—ootiful Soo—oop!
⁠Beau—ootiful Soo—oop!
Soo—oop of the e—e—evening.
⁠Beautiful, beautiful Soup!

187.19
‹Was ich nun sah, war über alle Beschreibunk!›

Zitat aus Friedrich von Meyerns Roman ›Dya Na Sore‹ (1787); vgl. dazu auch Schmidts gleichnamigen Rundfunkdialog aus dem Jahr 1957 (BA II, 1, S. 305–331).

187.29
I am in a humour to justle a constable!

Anspielung auf ›The Tempest‹ von William Shakespeare (3. Akt, 2. Szene):

TRINCULO
Thou liest, most ignorant monster: I am in case to justle a constable.

188.5
tapferster der Bommbardiers

Eventuell Anspielung auf Friedrich Wilhelm Hackländers Roman ›Der letzte Bombardier‹ (1870).

188.35
‹Es wirt a Wein=sein›

Bekanntes Wienerlied von Ludwig Gruber (1874–1964):

Es wird a Wein sein (und wir wern nimma sein)

191.26
Nadelholz=Soffittn

Pierer:

Soffite, 1) eine mit Feldern verzierte Decke eines Zimmers; 2) in Theatern die Streifen, welche von einer Coulisse zur andern quer übergehen u. die Decke eines Zimmers od. die Luft vorstellen.

192.2
Hatte Kennan uns nicht zur Genüge über die Unsitten der Jakuten belehrt; die, als All=Kohol=Ersatz, ‹gewisse toadstools› ihrer heimischen Tunndren fraßn? […]

Anspielung auf George Kennans ›Zeltleben in Sibirien‹, S. 155f.:

Nach dem Schluß der Ceremonie gingen wir in das benachbarte Zelt und waren überrascht, als wir ins Freie kamen, einige stark betrunkenen Korjäken schreiend herumtorkeln zu sehen […]. Ich wußte, daß in ganz Nordkamtschatka kein Tropfen Alkohol vorhanden war […]. Auf unsere Fragen hin erhielten wir die Aufklärung; sie hatten nämlich eine Pflanze gegessen, die allgemein im Volke »Krötenstuhl« heißt. In Sibirien giebt es eine besondere Art derselben, die von den Eingeborenen »Mukamur« benannt wird, stark berauschend wirkt und fast von allen sibirischen Stämmen als Erregungsmittel bentutz wird.

192.15
Wahrlich: dies waren die ‹Eisernen Männer›! Vor denen Kennan uns gewarnt hatte […] und 46 Haupt=Vieh.

Anspielung auf George Kennans ›Zeltleben in Sibirien‹ S. 248:

Der größere Teil dieses Stammes [der Jakuten] wohnt unmittelbar am Nordpol; sie können zweifellos viel größere Kälte ertragen als alle anderen Eingeborenen. Der russische Forscher Wrangel nannte sie »Die eisernen Männer«, und sie verdienen diese Bezeichnung. Das Thermometer zu Jakutsk, wo mehrere tausend Jakuten ansässig waren, zeigte in den drei Wintermonaten durchschnittlich 37 Grad Kälte, was ihnen jedoch nicht das geringste Unbehagen zu schaffen schien. Ich sah sie in einer Kälte von 40 Grad nur mit Hemd und Schafpelz bekleidet, plaudernd und lachend in den Straße stehen, als ob der herrlichstes Sommerwetter wäre und die lindeste Lüftchen wehtem. Sie sind die sparsamsten und thätigsten Eingeborenen Nordasiens. Eine sibirische Redensart meint, man könne einen Jakuten nackt auf die ödeste Steppe setzen, wenn man nach einem Jahr wieder nach ihm sehe, werde er dort ein großes, bequemes Haus, umgeben von Scheunen und Schobern haben, auch Pferde= und Rinderherden. […] Sie sind die einzigen Eingeborenen Sibiriens, die harte Arbeit verrichten können und wollen.

193.19
Längere cream=hillije Lei’s:

Eventuell Anspielung auf ›Hilligenlei‹ von Gustav Frensen und auf Leis (von Kyrie Eleison), einem geistlichen Lied.

194.11
diesen Blick durchs Waschküchn=Fenster vergeß ich mein Leb=Tag nicht […] 1 ‹Schutzimpfunk› erstn Ranges! : für bordellije Schlabbrichkeitn hatte ich nie Intresse gehabt.

Günther Flemming vermutet hier (BB 20) eine Anspielung auf eine Badeszene in Wielands Roman ›Aristipp‹, in der Aristipp eine junge Frau unversehens beim Baden beobachtet und den Blick nicht abwenden kann. Am Schluss des Briefes heißt es:

Was dünkt dich von dieser närrischen Begebenheit, Kleonidas? – Für mich ist sie denn doch nicht ganz so unbedeutend als sie scheint; und da ein weiser Mann alles in seinen Nutzen zu verwandeln wissen soll, so denke ich einen zweifachen Vortheil aus ihr zu ziehen. Der erste ist, daß ich mich vor der Hand ziemlich sicher halten kann, daß die Erinnerung an meine reizende Unbekannte nur sehr wenigen Schönen gestatten wird, einigen Eindruck auf mich zu machen; […]

195.3
ich haps doch schon erwähnt, daß Aristarch von Samos, 250 vor, mehr von Astronomie verschtand, als Koppernikuß, 1540 nach

Aristarch (um 310–230 v. u. Z.) war ein griechischer Mathematiker und Astronom, der als einer der ersten ein heliozentrisches Weltbild vertrat, das erst rund 1800 Jahre später von Kopernikus wieder aufgegriffen wurde (vgl. a. S. 229). Nach ihm wurde ein Mondkrater benannt.

196.20
das Auge=selbst iss ausdruxlos

Vermutlich angeregt durch Jules Vernes Roman ›Der grüne Strahl‹:

Es ist ein allgemein verbreiteter Fehler, fuhr Aristobulos Ursiclos fort, als docirte er hier ex cathedra, vom Lächeln der Augen zu sprechen. Die Organe des Gesichtssinnes entbehren vollständig der Ausdrucksfähigkeit, wie die Oculistik lehrt. Beweis: Bedecken Sie ein Gesicht mit einer Larve, betrachten Sie durch dieselbe die Augen, und ich gehe jede Wette ein, daß Sie unmöglich werden unterscheiden können, ob dasselbe heiter, traurig oder wüthend aussieht.

196.20
Wiesolett=Luupe

Visolettlupe, auch Lesestein, eine dicke, plan-konvex geschliffene Lupe, die mit der planen Fläche auf die Buchseite gelegt wird.

196.21
die ganze Lanntschaft laak voll von Fluuk=Blättchen!

Schmidt zitiert hier diverse Flugblätter, s. Aus dem Nachlass Arno Schmidts.

199.1
1 Holtz=Eimerchen mit Gefrorenem? –: […] Zahnschmertzn krickte man von der Källte.

Vgl. George Kennans Bericht in ›Zeltleben in Sibirien‹ S. 225:

Eine Bewegung in der Nähe der Thüre zeigte an, daß Erfrischungen gebracht wurden und ein junger Tschuanse kam bald darauf zu mir und bot mir ein große Holzgefäß an, in dem sich vier Quart rohe gefrorene Preißelbeeren befanden. […] Ich nahm ein, zwei Löffel voll und blickte Dodd fragend an. Dieser deutete mir an, daß ich es weiterreichen solle, was ich um so lieber that, als es wie saure Hagelkörner schmeckte und mir Zahnschmerz verursachte. Der nächste Gang war wieder in einem Holzgefäß und sah aus wie Hobelspäne von Tannenholz. Ich sah ganz erstaunt darein. Gefrorene Preißelbeeren und Hobelspäne waren doch die seltsamsten Erfrischungen, die mir je zu Gesicht kamen – selbst in Sibirien. […] Was ich für Hobelspäne hielt, waren jedoch rohe, gefrorene Fische, eine große Delikatesse in Sibirien, »Struganini« genannt, mit der ich später recht vertraut wurde. Diese Fischhobelspäne vermehrten nur noch meinen Zahnschmerz.

199.25
‹Wirkommen, wirkommen, Du allter Pattron!›

Anspielung auf Goethes ›Faust II‹:

Chor der Insekten
Willkommen! willkommen,
Du alter Patron!

200.21
‹Potz Garrick & Kemble›

David Garrick (1716–1799); engl. Schauspieler und Dramatiker.

John Philipp Kemble (1757–1823), engl. Schauspieler und Intendant.

201.15
‹Das Thor macht auf, die Thür macht weit›

Anspielung auf den bekannten Choral ›Macht hoch die Tür‹

201.20
‹und mehr bedarf’s nicht›

Anspielung auf Hölderlins Ode ›An die Parzen‹:

Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!
Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel
Mich nicht hinab geleitet; Einmal
Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht.

201.38
Bomann=Museum

Museum für Volkskunde, Landes- und Stadtgeschichte, Kunst in Celle, 1892 gegründet, 1928 nach seinem ersten Direktor Wilhelm Bomann benannt.

203.38
Der WALDSCHWARZE Kater

Anspielung auf die Erzählung ›Der Waldschwarze‹ aus Karl Mays ›Erzgebirgischen Dorfgeschichten‹ in der Bearbeitung des Karl-May-Verlags. Originaltitel bei May: ›Der Waldkönig‹.

204.27
(da vergingen Einem freilich die Sentenzn Maxie’m Parra=Neesn ‹Afforismen zur Leebns=Weißheit› so gans=leicht!)

Anspielung auf das fünfte Kapitel (›Paränesen und Maximen‹) von Schopenhauers ›Aphorismen zur Lebensweisheit‹.

205.19
dabei war’n Betrieb hier, wie im GIL BLAS

Lt. Tagebuch las Arno Schmidt Lesages Schelmenroman (BVZ 640) vom 12.–29. Januar 1960 – also während der Überarbeitung und Reinschrift des Romans – seiner Frau vor; vgl. a. Schmidts Brief an Wollschläger vom 9. März 1960 (BHW, S. 236):

Conrady’s Schicksal – ich erinnere mich, wie Sie mir erzählten, daß er gewissermaßen ›nur so‹ ins KZ gekommen sei: ßä la wieh!: Vom Marshalsea nach Bedlam; von der Pitié nach Bicêtre; ach wir Armen! / (Ich habe neulich wieder den ganzen GIL BLAS des Lesage gelesen: das ist ein prächtiges Buch. Zumal in der Übersetzung von Barrasch.)

Vgl. damit auch I, 3, S. 97:

Der normale Lebenslauf : Von der Pitié nach Bicêtre : Vom Arm’haus; übers Kittchn; in de Irrn=Anschtalt.

206.3
‹Come You with Old Khayyam›

Zitat aus der von Edard Fitzgerald übersetzten und zusammengestellten Sammlung vierzeiliger Gedichte ›Rubaiyat‹ des persischen Mathematiker, Astronom und Dichter Omar Khayyam (1048–1131), die Schmidt in einer Ausgabe von 1953 besaß (BVZ 671):

Oh, come with old Khayyám, and leave the Wise
To talk; one thing is certain, that Life flies;
One thing is certain, and the Rest is Lies;
The Flower that once has blown for ever dies.

206.20
‹Come, fill the Cup›

Zitat aus ›Rubaiyat‹ (s. Kommentar zu 206.3):

Come, fill the Cup, and in the Fire of Spring
The Winter Garment of Repentance fling:
The Bird of Time has but a little way
To fly—and Lo! the Bird is on the Wing.

206.30
Korydon

Korydon, 1) Gigant, Sohn des Tartaros u. der Gäa; 2) bei den Bukolikern Name eines Hirten, der wegen unerhörter Liebe klagt; daher 3) armer, beklagenswerther, armseliger Mensch.

207.12
Myself, when young, did eagerly frequent Doctor and Saint, and heard great argument about it and about

Zitat aus dem ›Rubaiyat‹ von dem eine Seite zuvor erwähnten Omar Khayyam in der Übersetzung von Edward Fitzgerald, die Schmidt besaß (BVZ 671):

Myself when young did eagerly frequent
Doctor and Saint, and heard great Argument
About it and about; but evermore
Came out by the same Door as in I went.

208.5
Wann & Wo Johann Gottfried Schnabel geschtorbm wäre

Vgl. Schmidts Essay ›Wunderliche Fata einiger Seefahrer‹ (geschrieben am 14./15. Januar 1960; BA III, 4, S. 18):

Sein Leben ist weitgehend ungeklärt; der Mann, der den Deutschen eines ihrer liebsten und schönsten Nationalwerke schenkte, erhielt auch ihren üblichen Dank – man weiß nicht einmal, wann & wo er gestorben ist; vermutlich nach 1750.

208.31
‹die Kehre› über den Hack=Klotz

s. Kommentar zu S. 80

209.8
a general disinclination to work of any kind

Zitat aus Jerome K. Jerome’s Roman ›Three Men In A Boat‹; lt. Tagebuch las Schmidt den Roman am 7.9.1959:

In the present instance, going back to the liver-pill circular, I had the symptoms, beyond all mistake, the chief among them being »a general disinclination to work of any kind.«

209.10
Und Hertha vorlesen : Richard Adams Locke NEUESTE BERICHTE; Hamburg 1836; (hatte ich die Signatur noch im Porte=monnee? – Ja, hier : MAINZ 15/1378)

Am 19. Juni 1959 schrieb der Mainzer Bibliothekar Claus Nissen (den Schmidts in Gau-Bickelheim kennengelernt hatten, und der Schmidt immer wieder mit Büchern versorgte) an Schmidt:

Ueber den Mond haben wir Folgendes: […] R.A. Locke: Neueste Berichte vom Cap der guten Hoffnung über Sir John Herschel’s Entdeckungen, den Mond u. s. Bewohner betr., 1836 [15/1378]

209.23
Und hatte überhaupt 1 Benehm’m wie Könich Og von Basan.

Basan oder Bashan (»Land der Riesen«) ist ein im Alten Testament mehrfach erwähntes Gebiet im Land Kanaan; Og war der letzte König des Landes.

209.34
bis es nich mehr viel Ähnlichkeit mit der Schprache hatte, in der einst 1 Siegmund von Birken experimentierte.

Der produktive und einflussreiche Barockdichter Sigmund von Birken (1626–1681) war u.a. Präsident des Pegnesischen Blumenordens und Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft.

210.19
Und wie unsäglich albern Goethes MÄDCHEN VON OBERKIRCH! : dafür hatte der Mann keinerlei Verschtäntnis gehabt; (‹Marat› erwähnt er auch nur in der ‹Farbenlehre›.)

›Das Mädchen von Oberkirch‹ ist ein Fragment eines Trauerspiels in fünf Akten, das zur Zeit der französischen Revolution spielt. Bei Schmidts ›Notizzettel zu »Lilienthal 1801«‹ – s. dazu ›Kaff‹ und ›Lilienthal 1801‹ – findet sich der Eintrag (BA Sup 1, S. 89)

Goethe ›Mädchen von Oberkirch‹ bei Bielschowski II, 49 f. und 689

Gemeint ist Albert Bielschowskys (1847–1902) zweibändiges Werk ›Goethe. Sein Leben und seine Werke‹. Auf S. 49 des zweiten Bandes findet sich eine Kritik und knappe Wiedergabe der Handlung:

Aber indem er nur bescheidene Persönlichkeiten zu Opfern der Revolution machte und auch auf der Gegenseite nicht die Führer, sondern untergeordnete Elemente in den Vordergrund stellte, zudem höhere politische Motive aus der Fortbewegung der Handlung ausschloß, nahm er auch diesem Stück den packenden historischen Zug. Es wurde eine Familientragödie, die uns im Innersten ergreifen, aber nicht den Hauch großer, wenn auch gräßlicher, Ereignisse zuwehen kann.

Auf S. 687 (nicht: 689) fügt Bielschowsky als Anmerkung ein Zitat aus dem ›Revolutions-Almanach 1795‹ an.

In den ›Materialien zur Geschichte der Farbenlehre‹ setzt sich Goethe mit Marats Schriften zum Feuer und zum Licht auseinander.

210.25
Hin=Flääzn; und im VATERHAUS blättern. –: ‹Anny von Panhuys› & Robert Kraft; mein, was ne Firma! –

Am 13. Oktober 1959 – also kurz vor Beginn der Niederschrift des Romans – schickte Herta Bläschke ein Angebot der illustrierten Romanzeitschrift ›Das Vaterhaus‹ an Schmidt und notierte zum Inhalt (BHW, S. 200):

Karl May, Die Familie Adlerhorst [/] Robert Kraft, Jenseits von Gut u. Böse [/] Panhuys, Die Namenlose

Schmidt kaufte den Band (BVZ 481.39). Anny von Panhuys – die im sonstigen Werk Schmidts nicht auftaucht – wird auch auf S. 43 erwähnt.

210.34
n ‹Landwirtschafts=Lecksieconn›? Von 1888.

In Arno Schmidts Bibliothek findet sich folgender Titel (BVZ 1021):

Illustriertes Landwirtschafts-Lexikon. Hrsg. von Guido Krafft. 2. umgearb. Auflage. Mit 1172 in den Text gedruckten Holzschnitten. Berlin, Verlag von Paul Parey, 1888.

211.7
Was die ‹rechzgerichtete Aurore› geschriebm hat, von der demnächst los=gehenden Sahara=Bommbe?

Die frz. Tageszeitung ›L’Aurore‹ (1897–1916; Eigentümer und Herausgeber: Georges Clemenceau) war eine liberal-sozialistische Publikation, in der 1898 Zolas ›J'Accuse…!‹ erschien.

211.15
(‹Hiero=Glüüfen wandten Falken=Köpfe›, hatt’ich ma irgendwo gelesen; bei einem Schwätzer im Höheren Ton).

Nämlich in Arno Schmidts ›Gadir‹ (BA I, 1, S. 66):

Eingelassen in die Wände waren hohe Tafeln aus mildfarbigem Schmuckgestein, schriftzeichenüberlaufen, aramäisch, chaldäisch, persisch, Hieroglyphen wandten Falkenköpfe, […]

211.19
Potz Tiglath=Pieleeser & Sall=Mannassar

»Tiglat-pileser« ist die deutsche Übersetzung eines akkadischen Königsnamens; »Salmanassar« der Name assyrischer Könige.

212.13
Wenn das Gesäß auch näßt, Lache Bajjatzo!

Anspielung auf die Schlussarie des ersten Aktes der Oper ›Der Bajazzo‹ von Leoncavallo:

Jetzt spielen! Wo mich Wahnsinn umkrallet!
Ich weiß nicht mehr, was ich sage und was ich tue!
Doch ich muß mich zusammennehmen!
Bah! Bist du nicht ein Mann!
Du bist Bajazzo!
Hüll dich in Tand nur.
Die Leute zahlen und wollen lachen hier.
Und wenn dir Harlekin die Colombine raubt,
lache, Bajazzo, und jeder applaudiert!
Verwandle in Witze die Schmerzen
und die Tränen, und Weh!
Lache, Bajazzo, über die zerbrochene Liebe.
Lache über den Schmerz, der das Herz dir vergiftet.

212.25
Kitschkitschkitsch=u=hund=kitsch

Anspielung auf das bekannte Handwerksgesellenlied:

Es, es, es und es,
es ist ein harter Schluß

212.31
‹Krabbel=Brief›

Anspielung auf Karl Mays ›Frau Pollmer‹ (S. 882):

So erhielt ich auf mehrere sehr ernste Briefe und Depeschen eines Tages den sogenannten »Krabbelbrief«, in dem sie [= Emma Pollmer] mir mittheilte, daß der Geist Münchmeyers alltäglich des Nachts zu ihr in das Bett komme, um sie an den Geschlechtstheilen zu »krabbeln« und dann Begattung mit ihr zu treiben.

213.1
Und wenn den Herren vom May=Verlag mal’n Band des GOEDEKE in die emmsijn Hände fiele […] zu der ‹vorliegndn Geschtallt› konnte man ja nur den Kopf schütteln!).

»GOEDEKE« ist Karl Goedekes (1814–1887) bio-bibliographisches Werk ›Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen‹. Gemeint ist hier die Karl-May-Bibliographie im 1958 neu aufgelegten Band ›»ICH«. Karl Mays Leben und Werk‹ (Bd. 34 der ›Gesammelten Werke‹ Karl Mays), den Schmidt von Wollschläger bekommen hatte (BVZ 481.5). Am 29./30. Dezember 1958 schrieb Schmidt an Wollschläger (BHW, S. 93):

Die neue Bibliografie ist – obwohl nicht ganz so elend, wie die frühere – doch wieder nur, nicht einmal Halb- sondern Viertels-Arbeit; man sollte diesen Leuten tatsächlich einmal einen Band des Goedeke leihen, damit sie lernen, was der Benutzer von einem Bibliografen verlangen kann!

Ähnlich auch in seiner Rezension des Bandes (›Profil von Links‹, BA III, 3, S. 489):

Bezüglich der ‹Bibliografie› wäre es sehnlichst zu wünschen, daß der betreffende Bearbeiter einmal über einen Band des ‹Goedeke› geriete, damit er endlich sähe, wie man so etwas macht.

213.8
wie da, als zusätzlich verfälschend=irreführendes Element, Motief=Übernahme aus dem uralt=himmelschtinkndn WEG ZUM GLÜCK schtattgefundn hatte

Der ›Weg zum Glück‹ ist einer von fünf umfangreichen Kolportageromanen, die Karl May für Münchmeyer geschrieben hat. – Am 27. August 1959 schrieb Schmidt an Wollschläger (BHW, S. 188):

Den WEG stellen Sie doch nur an die Spitze der Münchmeyerei, weil darin soviel gesungen wird, Wagner vorkommt, und – last not least – der Alte einiges in den späten SILBERLÖWEN ÜBERNOMMEN hat (›übernommen‹ natürlich ›klein‹ zu lesen): das Siegeln mit der Münze / die Köchinnen=Szene / das ›Herr-ich-trete‹ / (und der ›Appe= Trinketit‹ ist dann in WEIHNACHT erschienen) / usw.

213.9
Motief=Übernahme aus dem uralt=himmelschtinkndn WEG ZUM GLÜCK

Vgl. den Brief an Wollschläger vom 27. August 1959 (BHW, S. 188):

Den WEG stellen Sie doch nur an die Spitze der Münchmeyerei, weil darin soviel gesungen wird, Wagner vorkommt, und – last not least – der Alte einiges in den späten SILBERLÖWEN ÜBERNOMMEN hat (›übernommen‹ natürlich ›klein‹ zu lesen): das Siegeln mit der Münze / die Köchinnen-Szene / das ›Herr-ich-trete‹ / (und der ›Appe- Trinketit‹ ist dann in WEIHNACHT erschienen) / usw.

213.22
da war’s ja schonn wieder Weihnachtn!

Gemeint ist Mays Roman ›»Weihnacht!«‹.

213.26
allso karpe die Emm jetz

Verballhornung der lateinischen Sentenz »carpe diem« (»Nutze den Tag«), die aus einer Ode des Horaz stammt.

214.36
‹Pöme Fennichsschtück›: Pomes Penyeach

Anspielung auf die Gedichtsammlung ›Pomes Penyeach‹ von James Joyce; die Übersetzung ›Pöme Fennichsstück‹ wählte Schmidt auch bei Stanislaus Joyces ›Meines Bruders Hüter‹, an dessen Übersetzung er von März bis Oktober 1959 gearbeitet hat.

216.11
‹Ohseelich 1 Kinnt noch zu seyn›

Zitat aus Lortzings Oper ›Zar und Zimmermann‹ (1837) (3. Akt, 5. Auftritt, Nr. 14, ›Lied des Zaren‹):

Sonst spielt' ich mit Zepter, mit Krone und Stern;
Das Schwert schon als Kind, ach, ich schwang es so gern!
Gespielen und Diener bedrohte mein Blick;
Froh kehrt' ich zum Schoße des Vaters zurück.
Und liebkosend sprach er: Lieb Knabe, bist mein!
O selig, o selig, ein Kind noch zu sein!

220.14
Vielleicht war die kleine Erdaufschüttung daneben, la Motte, ja das ehemalije Hoch=Gericht?

Vgl. dazu Schmidts ›Fouqué und einige seiner Zeitgenossen‹ (BA III, 1, S. 15):

Der Zusatz »la Motte« gehört vielen französischen Ritterfamilien gemeinschaftlich zu, und bedeutet eigentlich eine kleine Erderhöhung mit einer Burgumwallung […].

224.29
Ins Lagärr ‹Schwarrtzä Pummpä›

»Schwarze Pumpe« ist ein vermutlich nach einem Gasthaus benannter Stadtteil der brandenburgischen Stadt Spremberg; das »Gaskombinat Schwarze Pumpe« war in der DDR ein berühmtes Kombinat zur Veredelung von Braunkohle.

224.37
Potz Ahrimanmirza & Samielhilf!

Ahriman Mirza ist in den Bänden III und IV von Karl Mays Roman ›Im Reiche des silbernen Löwen‹ der oberste Anführer des Geheimbundes der Sillan (= Schatten) und trägt Züge des Teufels.

Mit »Samiel hilf!« oder »Hilf, Samiel!« beschwört Kaspar in Webers Oper ›Der Freischütz‹ die Hilfe des Teufels.

225.9
‹Mennsch, weerdn Se bloß weesntlich!

Anspielung auf die sprichwörtlich gewordene Formulierung aus ›Zufall und Wesen‹ von Angelus Silesius:

Mensch, werde wesentlich; denn wenn die Welt vergeht,
So fällt der Zufall weg, das Wesen, das besteht.

227.10
Jetzt erfuhr ich auch, wie Reshevsky mich angeführt, und mir die allerkomplizierteste Bitte um Nahrunk aufgeschriebm hatte, die ihm in der Schnellichkeit nur eingefallen war.

S. Kommentar zu Seite 71.1.

230.27
Und mein Kolleege, der Alles=Dulldänndä, (‹Die 100 Namen Allahs›)

Karl May, ›Satan und Ischariot II‹ (Kapitel 5, S. 382):

Zu bemerken ist, daß das mohammedanische Schlußgebet, welches »die Beschließerin« genannt wird, die hundert Namen Allahs enthält, welche unter Verbeugungen und Händeaufheben hergesagt werden. Da es auch für den Christen von großem Interesse ist, zu erfahren, wie Allah von den Bekennern des Islam genannt wird, so mag ein Teil der »Beschließerin« hier folgen:

Allbarmherziger! Allbesitzender! Allheiliger! Allfehlerfreier! Allbedeckender! Allgeehrter! Allherrlicher! Schöpfer! Allhervorbringer! Allnachsichtiger! Allzwingender! Allwissender! Allempfangender! Allausbreitender! Allerniedernder! Allerhöhender! Allbeehrender! Allherabsetzender! Allhörender! Allsehender! u.s.w.

Karl May, ›Ardistan und Dschinnistan I‹ (S. 428):

Er ließ die verschiedensten Ausrufe hören, und als er sich endlich zu sehr ergriffen fühlte, hob er die Arme hoch empor und betete die »Beschließerin«, die hundert Namen Gottes:

»O Allbarmherziger! O Allerbarmender! O Allbesitzender! O Allheiliger! O Allfehlerfreier! O Allsichernder! O Allbedeckender! O Allgeehrter! O Allersetzender! O Allherrlicher! O Schöpfer! O Allhervorbringender!« und so weiter bis zum Schluß: »O Allwundervoller! O Allwährender! O Allerbender! O Allgerader! O Allgeduldiger! O Gott!«

232.37
Wenn die Kerls weenichstns ap & zu 1 Mosaiek=Schteinchin angebracht hättn! ‹KUNST AM BAU› oder irgendwas darmschtettschis

Eberhard Schlotter arbeitete für die Darmstädter Wiederaufbau GmbH im Rahmen der Aktion »Kunst am Bau«; Schmidt schrieb für Schlotter eine Eröffnungsrede für die Ausstellung »Kunst am Bau« (Oktober 1955; BA Sup 1, S. 251–253).

232.39
‹Darmschtettensche Fieguren› – : hieß so nich das Gekrizzl auf Meteor=Eisn?

Anspielung auf die »Widmannstätten-Struktur«; aus der Wikipedia:

Als Widmanstätten-Strukturen werden die vorwiegend in meteoritischem Material nachweisbaren, charakteristischen Strukturen bezeichnet, die sichtbar werden, wenn Eisenmeteoriten vom Typus Oktaedrit angeschliffen, poliert und mit methanolhaltiger Salpetersäure angeätzt werden.

233.21
»‹HErr, Der Du Frömmichkeit so liepst : daß Du den Deinen Güter giepst .....!›.«; zietierte ich rasch die Hermannsburger Inn=Schrifft: »Potz Louis Harms & Candaze!: Und wenn Ihr das Irish=Stew noch so lecker bereitet, daß sich selpst 1 Richter fast einen Bruch fraß .....?«. Und sie nickte sehr: »Was hab ich mich geschäämt, wie Du de dritte Porrtzjohn verlangt hast. –«

Am 13. Juli 1959 unternahmen Schmidts mit Michels einen Ausflug. Er notiert dazu in seinem Tagebuch (BWM, S. 319):

Fahrt: B. – Eldingen – Scharnhorst – Eschede – Rebberlah (Hier 1. Pause; Michels flätzen sich auf Stühlen; wir gehen Spazieren: Herrliche Wacholder! Und Wälder) / Dann nach Eschede zurück und nach Hermannsburg (2. Pause : die 3 schwimmen in der Örtze; Händel mit dem Bauern, dem das Feld gehört. Dann Essen: ich fresse Schau: ›Irish=stew‹)

Michels erinnert sich in einem Gespräch mit Bernd Rauschenbach (BWM, S. 332):

In Hermannsburg waren wir mal und da gab es Irish Stew. Wir bestellten also für vier Mann und bekamen dann so ne Schüssel. Als wir sie aufgegessen hatten, da wollte er noch eine und da haben wir noch eine bestellt, die hat er allein gegessen.

Die Inschrift wird im Tagebuch nicht erwähnt, sie findet sich aber etwa im Hannoverschen ›Kirchengesangbuch‹ im Abschnitt »Um göttlichen Beystand und Segen zu unsern Berufs-Werken«:

Und weil du frömmigkeit so liebst, Daß du den frommen güter giebst; So gib, das ich in heilger scheu Recht fromm und recht gesegnet sey.

Ludwig Harms (1808–1865) war ein ev. Theologe und Erweckungspediger, der vor allem in Hermannsburg gewirkt hat. Die Candace war ein Schiff der Hermannsburger Mission, mit dem die Missionare nach Äthiopien gebracht wurden. Am 27. Juli 1959 schreibt Schmidt an Michels (BWM, S. 125):

Der Name Hermannsburg, mir zuvor schon durch Louis Harms geläufig, wird mir ewig teuer sein.

233.33
‹Te Deum laudamus›

Anfang der Hymne ›Te Deum‹ (»Großer Gott, wir loben dich«), die zu Dankfesten und Dankgottesdiensten gesungen wird.

233.38
‹1 schöne Menschn=Seele finndn: […] zu retten!›

Beginn von Herders Gedicht ›Der gerettete Jüngling‹:

Eine schöne Menschenseele finden,
Ist Gewinn; ein schönerer Gewinn ist,
Sie erhalten, und der schönst’ und schwerste,
Sie, die schon verlohren war, zu retten.

234.24
Och, bleip Du mit Deiner Gnade, Du!

Anspielung auf den evangelischen Choral ›Ach, bleib mit Deiner Gnade‹ von Josua Stegmann.

237.9
‹Bedeutend schön umgeben klar gewässer im dichten haine fraun die sich entkleidn›

Anspielung auf den zweiten Akt (›Laboratorium‹) von Goethes ›Faust II‹:

Homunculus (erstaunt).
Bedeutend! –
(Die Phiole entschlüpft aus Wagners Händen, schwebt über Faust und beleuchtet ihn.)
Schön umgeben! – Klar Gewässer
Im dichten Haine, Fraun die sich entkleiden;

237.16
Deine urinatorischn KünnsDe.

Dieser ungewöhnliche Ausdruck scheint lediglich in Herders ›Journal meiner Reise im Jahr 1769‹ nachweisbar zu sein:

Wasser ist eine schwerere Luft: Wellen und Ströme sind seine Winde: die Fische seine Bewohner: der Wassergrund ist eine neue Erde! Wer kennet diese? Welcher Kolumb und Galilei kann sie entdecken? Welche urinatorische neue Schiffahrt; und welche neue Ferngläser in diese Weite sind noch zu erfinden? Sind die letzten nicht möglich, um die Sonnenstrahlen bei stillem Wetter zu vereinigen und gleichsam das Medium des Seewassers, damit zu überwinden? Was würde der urinatorischen Kunst und der Schiffahrt nicht dadurch für unendliche Leichtigkeit gegeben?

238.34
(‹Thema Cherson› : ‹im anatolischn Thema›, kam mir schon wieder dazwischn; bloß schnell=vergeistert die Hand gehoobm)

Ein Thema war eine Verwaltungseinheit des byzantinischen Reiches, das Thema von Cherson war auf der der südlichen Krim mit Cherson als Hauptstadt.

238.37
Augustus John ‹THE WAY DOWN TO THE SEA›

August Edwin John (1878–1961), britischer Maler; sein Gemälde ›The way down to the sea‹ (76 x 67 cm) entstand in den Jahren 1909–1911. Informationen zum Bild und das Bild selbst finden sich hier.

239.11
» […] Wasserzeichen im Feuchtblatt ...«. […] ([…] die Jägerschprache war ihr nicht geläufich. Also darf auch mier das Waidloch wieder nässn.)

Das »Feuchtblatt« bezeichnet in der Jägersprache die Ausmündung der Geschlechts- und Harnwege beim weiblichen Rehwild; das »Waidloch« den After des Wildes oder des Jagdhundes.

239.19
Und schtelltn uns – ‹Kinder des 20. Jahrhunderz› – 1 ‹Flucht› vor; ‹bereit=sein ist Alles›; (sechcht Hammlett).

Und zwar im 5. Akt, 2. Szene. In der Übersetzung von August Wilhelm Schlegel:

Nein, ja nicht! Ich trotze allen Vorbedeutungen; es waltet eine besondere Vorsehung über den Fall eines Sperlings. Geschieht es jetzt, so geschieht es nicht in Zukunft; geschieht es nicht in Zukunft, so geschieht es jetzt; geschieht es jetzt nicht, so geschieht es doch einmal in Zukunft. In Bereitschaft sein ist alles. Da kein Mensch besitzt, was er verläßt, was kommts darauf an, frühzeitig zu verlassen? Mags sein!

Original:

Not a whit, we defy augury. There's a special providence in the fall of a sparrow. If it be now, 'tis not to come; if it be not to come, it will be now; if it be not now, yet it will come. The readiness is all. Since no man has aught of what he leaves, what is't to leave betimes? Let be.

239.40
Das war ja richtich: bei Uns heultn Viele, wenn Kirchnlieder die alte Erde schilderten; schöner angetan als Salomonis Seide.

Anspielung auf die zweite Strophe des bekannten Choral ›Geh aus mein Herz und suche Freud‹ (1656) von Paul Gerhardt:

Die Bäume stehen voller Laub,
das Erdreich decket seinen Staub
mit einem grünen Kleide;
Narzissus und die Tulipan,
die ziehen sich viel schöner an
als Salomonis Seide.

241.25
Aber der HErr wird mich=Dir nehm’m: MICH, in meiner Gůttheet ...« […] Mier, schließlich & endlich, schien es vorbehaltn gebliebm, das ‹u› geschickt nach ‹o› hin zu schprechn.

Alice Schmidt, ›Tagebuch 1955‹ (S. 172, Eintrag vom 5. Juli):

A sagt: »ich in meiner gootheit« für Guttheit!

242.8
Turnier von Ashby=de=la=Zouche

Ashby de la Zouche ist eine Stadt in der englischen Grafschaft Leicestershire. – In Walter Scotts Roman ›Ivanhoe‹ findet dort ein großes Turnier statt.

245.6
Potz Noah & Ut=Nápischtimm

Utnapischtim ist der auserwählte Held der Sintflugsage des Gilgamesch-Epos’.

245.30
IßDier bekannt, daß Raffa=El die Träume des Fara=oh als Seifm=Blaasn gemalt hat?

Und zwar im Gemälde ›Joseph deutet die Träume des Pharao‹, um 1515/18.

246.21
‹Puhlafuca=Puhlafuca›

Anspielung auf James Joyce ›Ulysses‹:

(The sound of a waterfall is heard in bright cascade.)

THE WATERFALL:

Poulaphouca Poulaphouca
Poulaphouca Poulaphouca.

S. auch S. 274.

249.8
Verlasen ihnen irgend ein ‹Igorr=Liet›

Das ›Igorlied‹ ist ein mittelalterliches Epos der Rus; vgl. auch den 1961 entstandenen Essay ›Die Geschichte vom Riesen Jermak‹ (BA III, 4, S. 99):

Das ‹IGORLIED› ist von dem der ‹NIBELUNGEN› so verschieden nicht

251.32
das war wohl schon zu Sinantroppuß=Zeitn 1 Natur=Gesetz

Sinanthropus pekinensis (Peking-Mensch), eiszeitliche Spezies des Menschen, heute Homo erectus pekinensis.

251.39
Frau Minnetrost

Figur aus Fouqués Roman ›Der Zauberring‹.

254.17
(Und sie, schtoltz rück=lehnend – breithüfftichste Optiemistinn, die ich je gesehen hatte, Potz Tita Ruffo & Feruccio Busoni! –)

Titta Ruffo (1877–1953), italien. Opernsänger; Ferruccio Busoni (1866–1924), italieni. Komponist.

254.18
Potz Tita Ruffo & Feruccio Busoni!

In seinen ›Erinnerungen an Arno Schmidt‹ notiert der Jugendfreund Heinz Jerofsky für den Herbst 1931 (zitiert nach ›»Wu Hi?«‹, S. 37 u. 44):

Schließlich gab ich ihm in meiner Not ein Heft aus der Inselbücherei zu lesen, das ich vor einiger Zeit schon im Antiquariat […] erstanden hatte: »Ferrucio Busoni, Entwurf einer neuen Ästhetik […].« Diese Lektüre muß ihn doch berührt haben, denn schon am nächsten Tag gab er es mir zurück: […] »Potz verrutscho Busoni und Titta Ruffo, dann lassen wir es eben sein!« […] Mir gefiel nebenbei der obige Potz-Ausbruch Arnos mit seiner unterschwelligen Finesse genau so gut, wie ihm selbst, und es begann eine Zeit, in der wir um die Wette »potzten«.

255.9
OECONOMUS PRUDENS ET LEGALIS

Im Nachlass Arno Schmidts findet sich eine Seite aus einem Antiquariats-Katalog von Ludwig Röhrscheid, Bonn, auf der folgender Eintrag angestrichen ist:

Florinus, F. Ph., Oeconomus prudens et legalis. Oder Allgemeiner Klug- und Rechts-verständiger Haus-Vatter. 9 Tle. in 2 Bdn., Nürnbg., Frankf./O. u. Lpz., Riegel 1705. 39 Kupfertaf., 101 Textkupf. u. 8. Initialen. 8 Bll., 1230, 178 SS. u. 28. BTl. Folio, Ldr. d. Zt. (Stark berieben, Rücken beschäd.) 120.– [Graesse II, 602.]

255.10
COLUMELLA; Den vor allem; nischt wie ‹Georgica› und ‹de arboribus›

Lucius Iunius Moderatus Columella (gest. um 70), römischer Landwirtschaftler und Schriftsteller; ›Georgica‹ ist ein landwirtschaftliches Lehrgedicht von Vergil (70–19 v. u. Z.); ›de arboribus‹ (›Über Bäume‹) ist ein Lehrbuch über den Weinanbau, das Columella zugeschrieben wird und in allen erhaltenen Handschriften von seinem ›De re rustica‹ enthalten, aber ein Fremdkörper ist.

255.19
‹Non concupisces domum proximi tui›

»Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.« (2. Buch Mose, 20, 17).

256.10
Jeedn Tack besoffm, iss ooch reeglmäßich geleebt.

Populäre Dialogzeile von Hans Albers in ›Wasser für Canitoga‹ (1939).

256.17
Sie Alalie, ich Halali! – Aber schon schluckte sie ihre Schprachlosichkeit herunter.

Alalie = griechisch, Sprachlosigkeit.

256.27
Ansichtn von der Nacht=Seite der Natur

Anspielung auf Gotthilf Heinrich Schubert (1780–1860) ›Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft‹ (1808).

258.18
‹Years of Love have been forgot in the hatred of a minute›

Zitat aus E. A. Poes Gedicht ›To ––‹:

I heed not that my earthly lot
Hath — little of Earth in it —
That years of love have been forgot
In the hatred of a minute: —
I mourn not that the desolate
Are happier, sweet, than I,
But that you sorrow for my fate
Who am a passer by.

258.30
1 Flack=Runntwall (‹La Motte› fällt mir ein)

s. Kommentar zu S. 220.14

261.38
‹Car tel est notre plaisir!›

»Denn so gefällt es uns«; Kabinettsorder.

261.40
»‹In noch nie geseh’ner Eile brausnd gleich emmpörtn Woogn, […] manches Roß gejaakt zu Toode.›«

Zitat aus Nikolaus Lenaus ›Die Botschaft‹ (Teil von: ›Klara Hebert. Ein Romanzenkranz‹):

In noch nie gesehner Eile,
Brausend gleich empörten Wogen,
In noch nie gesehnen Trachten
Kommt die Schar herangeflogen.

Wer? wohin? woher des Weges?
Rufen die erstaunten Bauern;
Doch mit Staub die Rosseshufe
Ihnen schnell den Mund vermauern.

Es ist Christoph Gonsiewski,
Von Smolensk der Wojewode,
Der mit seinen Reitgefährten
Manches Roß gejagt zu Tode.

261.40
gehorsam der Piastin

Die Piasten waren eine polnische Herrscherdynastie zwischen dem 10. und 17. Jahrhundert.

263.26
wie der Jabberwock=persöhnlich

Der Jabberwock ist eine geheimnisvolle, gefährliche Kreatur in Louis Carrolls Gedicht ›Jabberwocky‹ aus ›Alice in Wonderland. Through the Looking-Glass, and What Alice Found There‹ (1871)

264.1
Ich blätterte, (um Ihr & Mir Zeit zu lassn), wieder in May’s Confession’n ...: ‹Ich will den Sau=Kerl nicht mehr sehen!› hatte seine ‹Bestie› nach 20 Ehe=Jahren geschrie’n: ‹Er ist mir zum Eekl; Er muß fort!›

Zitat aus Karl Mays ›Frau Pollmer‹ (S. 911)

Ausrufe wie »Wenn ich den nur loswerden könnte!« waren mehr als oft zu hören. »Ich will den Saukerl nicht mehr sehen!« »Er ist mir zum Ekel; er muß fort!« […]

Als »Bestie« bezeichnet May Emma Pollmer im gesamten Text mehrfach.

264.29
‹Solange meine Bestie leept, wirt sie mich wohl nie in Ruhe lassn.›

Zitat aus Karl Mays ›Frau Pollmer‹ (S. 940):

Die vorliegenden Aufzeichnungen sind nicht etwa beendet; ich führe sie fort, denn so lange meine »Bestie« lebt, wird sie mich wohl nie in Ruhe lassen.

268.11
Potz Urim & Thummimm, Puppe, Du zer=haust mer de Brille!

Urim und Thummim waren Orakelsteine der israelitischen Hohepriester. Michael Minden weist in BB 17–18 auf eine Verbindung zum Buch Mormon hin, in dem Urim und Thummim eine Art Brille bilden. Dass Schmidt hier an das Buch Mormon gedacht hat, belegt das Fragment ›Das Buch Mormon‹ vom Mai 1958 (BA Sup 1, S. 203 f.):

F.: »Urim & Thummim«: Was ist das nun eigentlich? Kommt das nicht schon im AT vor?

B.: Oh ja; und bis heute ist man sich nicht darüber klar, was das eigentlich war. Irgendein Mittel, um ein Orakel zu erlangen, gewiß; […] nach dem »Book of Mormon« jedenfalls war es »a supernatural spectacle, set in a silver=bow« .....

S. (einfallend): Also ein randloses Zauberpincenez: der Wunschtraum jedes Übersetzers.

268.35
»‹Rosamunnde› –« flüsterte es, nachdenklich & gebildet, lännge=lannk neebm=mier

Der Langobardenkönig Alboin schlug 567 die Gepiden. Aus dem Schädel ihres Köngs Kunimund soll eine Trinkschale angefertig worden sein. Alboin nahm Kunimunds Tochter Rosamnunde zur Frau. Hierzu gibt es verschiedene Überlieferungen, auf welche Quelle Schmidt sich stützt, ist noch unklar.

268.36
Auch ‹Wieland der Schmiet› verschtant sich ausgezeichnet auf deren Anfertijunk, Herzchn!

In der germanischen Heldensage ist Wieland ein kunstreicher Schmied, der unter anderem das Schwert Mimung schmiedet. Aus Rache am König Nidgung, der ihn lähmen ließ, um ihn als Schmied nicht zu verlieren, tötete er die beiden Söhne des Königs und fertigte aus deren Schädeln vergoldete Trinkgefäße für die Tafel des Königs an.

268.37
Lord Kitchener von Khartum ließ sich aus dem Schädel des Mahdi ein Tintenfaß bereiten

Friedhelm Rathjen vermutet (BB 255–256), dass Schmidt diese (propgandistische?) und mehrfach überlieferte Anekdote aus ›Victoria Regina. A Dramatic Biography‹ von Laurence Housman (1865–1959) (BVZ 544) kannte, wo sie als verbürgte historische Tatsache ausgegeben wird. Schmidt erwähnt den Titel in ›Schwarze Spiegel‹ (BA I, 1, S. 253), die Tintenfass-Anekdote auch in ›Flüchtlinge, oh Flüchtlinge!‹ (BA III, 3, 400).

269.13
‹Zwote Samuel 21 Vers 1 bis 9› oder ‹Zweite Könige 16 Drei›

2. Buch Samuel 21, Vers 1–9:

1 Es war auch eine Teuerung zu Davids Zeiten drei Jahre aneinander. Und David suchte das Angesicht des HERRN; und der HERR sprach: Um Sauls willen und um des Bluthauses willen, daß er die Gibeoniter getötet hat. 2 Da ließ der König die Gibeoniter rufen und sprach zu ihnen. (Die Gibeoniter aber waren nicht von den Kindern Israel, sondern übrig von den Amoritern; aber die Kinder Israel hatten ihnen geschworen, und Saul suchte sie zu schlagen in seinem Eifer für die Kinder Israel und Juda.) 3 So sprach nun David zu den Gibeonitern: Was soll ich euch tun? und womit soll ich sühnen, daß ihr das Erbteil des HERRN segnet? 4 Die Gibeoniter sprachen zu ihm: Es ist uns nicht um Gold noch Silber zu tun an Saul und seinem Hause und steht uns nicht zu, jemand zu töten in Israel. Er sprach: Was sprecht ihr denn, daß ich euch tun soll? 5 Sie sprachen zum König: Den Mann, der uns verderbt und zunichte gemacht hat, sollen wir vertilgen, daß ihm nichts bleibe in allen Grenzen Israels. 6 Gebt uns sieben Männer aus seinem Hause, daß wir sie aufhängen dem HERRN zu Gibea Sauls, des Erwählten des HERRN. Der König sprach: Ich will sie geben. 7 Aber der König verschonte Mephiboseth, den Sohn Jonathans, des Sohnes Sauls, um des Eides willen des HERRN, der zwischen ihnen war, zwischen David und Jonathan, dem Sohn Sauls. 8 Aber die zwei Söhne Rizpas, der Tochter Ajas, die sie Saul geboren hatte, Armoni und Mephiboseth, dazu die fünf Söhne Merabs, der Tochter Sauls, die sie dem Adriel geboren hatte, dem Sohn Barsillais, des Meholathiters, nahm der König 9 und gab sie in die Hand der Gibeoniter; die hingen sie auf dem Berge vor dem HERRN. Also fielen diese sieben auf einmal und starben zur Zeit der ersten Ernte, wann die Gerstenernte angeht.

2. Buch der Könige 16, Vers 3:

denn er wandelte auf dem Wege der Könige Israels. Dazu ließ er seinen Sohn durchs Feuer gehen nach den Greueln der Heiden, die der HERR vor den Kindern Israel vertrieben hatte,

269.36
Aabmz Demonstratzjohns=Vorträge über Aßtronnommie […] nachher fraaßn mir die Beidn jeedn Aabmd das ganze Planneetn=Sissteem auf

George Kennan berichtet in ›Zeltleben in Sibirien‹ S. 214 f. von seinen Versuchen, die langen Abenden bei den Korjäken damit zu verkürzen, Vorträge über Astronomie zu halten. Zur Demonstration benutzt er verschiedene Lebensmittel, die aber von Korjäken kurzerhand verspeist werden.

269.37
‹Briefe an 1 Prinn=zessinn›

Anspielung auf Leonhard Eulers: ›Lettres à une princesse d’Allemagne sur quelques sujets de physique et de Philosophie‹ (1783).

270.14
‹Die Bestie aber schien vorzüglich geschlaafn zu habm›

Zitat aus Karl Mays ›Frau Pollmer‹ (S. 925):

Am Morgen sah ich dann, daß auch sie im vollen Anzug gewesen war, auf einem Stuhle sitzend. Die Bestie aber schien vorzüglich geschlafen zu haben.

270.15
‹Kara Benn Halef›

Kara Ben Halef ist der Sohn von Hadschi Halef Omar; taucht erstmals in Karl Mays Roman ›Von Bagdad nach Stambul‹ auf und spielt besonders in ›Im Reiche des silbernen Löwen‹ eine große Rolle.

270.19
‹1 Amazone saß auf der Kwelle›

Anspielung auf einen bekannten Witz: Zwei Indianer übernachten zum ersten Mal in einem Hotel. Einer will Wasser holen, kommt aber mit leeren Händen zurück: »Ich konnte kein Wasser holen, ein Bleichgesicht saß auf der Quelle.« Von Schmidt auch in ›Das steinerne Herz‹ (BA I, 2, S. 104) und in ›Die Schule der Atheisten‹ (BA IV, 2, S. 11) benutzt.

270.19
((((Völkerschaftn ohne Kopf […]

Wie Thomas Lautwein gezeigt hat (BB 156–157), speisen sichKarl Richters Traumbilder aus dem ›Pseudo-Kallisthenes‹, einem wahrscheinlich im 4. Jahrhundert entstandenen Alexanderroman.

272.25
BRUHNS – die US=Amerikanische 7=schtellije Loggarittmentafel von 1945 –

Der dt. Astronom und Mathematiker Carl Christian Bruhns (1830–1881) gab 1870 erstmals ein ›Neues Logarithmisch-Trigonometrisches Handbuch auf sieben Decimalen‹ heraus, das zahlreiche Auflagen erlebte und auch auf englisch unter dem Titel ›A new manual of logarithms to seven places of decimals‹ erschien.

273.18
Potz Nasik & Aha Frost

Nasik-Quadrate bzw. Nasik-Würfel sind besondere Formen eines magischen Quadrats, die von dem Mathematiker und Missionar Andrew Hollingworth Frost (1819–1907) erforscht wurden. Benannt wurden sie nach der indischen Stadt Nasik, in der Frost wohnte.

273.25
nischt wie reine Sittn & Wieta=Nu=Owwa.

›Vita nuova‹ ist ein Jugendwerk Dantes, in dem dieser seine lebenserneuernde Liebe zu Beatrice schildert; s.a. S. 276.

274.27
‹Pulafuca=Pulafuca›

s. S. 246.21

276.29
‹Wee; Ich ertraak Dich nich!›

Zitat aus Goethes ›Faust I‹:

Geist Du hast mich mächtig angezogen,
An meiner Sphäre lang gesogen,
Und nun –

Faust Weh! ich ertrag dich nicht!

276.30
Dabei nichz Un=Menschlicheres als dies Göthe=Ullriekische, Fuukeh=Allbertienische, Durcheinander Mixn der Gennera=tzjohn’n: Neenee!

Der 72jährige Goethe lernte die 17jährige Ulrike von Levetzow in Marienbad kennen; am 25. April 1833 heiratete der 56jährige Fouqué die 27jährige Albertine Tode.

277.6
Jetz fiel mir auch noch Brentanos ‹Furia› ein.

Gemeint ist Auguste Bußmann (1791–1832), Brentanos zweite Ehefrau. Die Ehe war alles andere als glücklich. Brieflich bezeichnete Brentano seine Frau als seine »Furia«.

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