Erläuterungen zu ›Kaff auch Mare Crisium‹

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91.22
Und auch das unvermeidliche ‹Mensch ärger’ Dich nich’.›: wenn ich bloß ma rauskrickte, Wer das eigentlich erfundn hat!

Der Erfinder heißt: Josef Erich Schmidt.

91.37
»Wer über seinen Kampf um Lebensglück / sich nur 1 Haar versehrt, […] und bei Sonnenschein / mit Schiff & Schatz betroffen untersinkt.«

Eintrag zum 28. Oktober in Leopold Schefers ›Laienbrevier‹ (Leipzig, 1872, S. 411 f.; Schmidt besaß die 12. Auflage von 1859, BVZ 292.9):

Wer über seinen Kampf um Lebens=Glück
Sich nur ein Haar versehrt, nur Einzelnes
Im Auge, Nächstes im Gefühl, wohl gar
Gesundheit sich vescheucht – die Schöpferin
Der Freude aus dem langen Lebensstrome,
Der gleicht dem Kinde, das den Korb voll Perlen
Durch einen Wald von Räuber, Sturm und Blitze
Auf hohlem Boden sicher hingetragen –
Und nun, bei Blumenpflücken, sich verliert;
Der gleicht dem Manne, der ein Schiff Kleinode
Soll über Meer zum fernen Hafen steuern,
Und – alle Tage in des Schiffes Boden
Zum Spiel ein Loch bohrt, und bei Sonnenschein
Mit Schiff und Schatz betroffen untersinkt.

93.34
‹DAS VATERHAUS›! – Mensch, allein das Umschlack=Bild. (Und darin eine ‹FAMILIE ADLERHORST›? Was war d’nn das? Das kannt’ich ja gar nich!).

Karl May erzählt in seinem (anonymen) Kolportageroman ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ (1885–1888) die Schicksale der Familie von Adlerhorst. Der Karl-May-Verlag publizierte 1927/1928 einen Vorabdruck seiner Bearbeitung unter dem Titel ›Die Familie Adlerhorst‹ in der Zeitschrift ›Das Vaterhaus‹.

93.37
‹DEUTSCHER HAUSSCHATZ IN WORT & BILD› : lauter gemästete Faffenköppe sahen mich an

›Deutscher Hausschatz‹ war eine katholische Wochenzeitschrift, in der viele Romane Karl Mays in Fortsetzungen abgedruckt wurden, darunter auch ›Im Reiche des silbernen Löwen‹. Schmidt besaß zahlreiche Bände, die er zwischen 1959 und 1961 kaufte (BVZ 481.37). Am 26. Oktober 1959 – während der Arbeit am Roman – schrieb Schmidt an Wollschläger (BHW, S. 202):

soeben erhalte ich ein Großangebot vom DEUTSCHEN HAUSSCHATZ – schandbar teuer freilich; (und ich habe ohnehin schon 1 Band dastehen, in dem zwar kein alter MAY, wohl aber 4 Dutzend gemästete Pfaffenköppe paradieren); aber vielleicht könnte man doch Einiges in Erwägung ziehen

Am 29. Oktober informierte Schmidt Wollschläger darüber, dass er Band 24 (= Jg. 1897/1898 mit dem Erstdruck von ›Im Reiche des silbernen Löwen‹) bestellt habe (BHW, S. 204).

93.38
»Potz Carocha & Sanbenito, Tanndte: das sind doch Alles Katholen!«

Meyers Großes Konversations-Lexikon, Carocha:

Carocha […] eine hohe, zylinderförmige Ketzermütze aus Papier oder Pappe, mit allerlei Teufelsgestalten, welche die von der Inquisition zum Feuertode Verurteilten während des Autodafé trugen; vgl. Sanbenito.

Meyers Großes Konversations-Lexikon, Sanbenīo:

Sanbenīto […] oder Zamarra, das Armesünderhemd der von der Inquisition Verurteilten […]

94.3
‹Copie Nr. 2 / für Herrn / Heinrich Andreas Näwy / […]

Arno Schmidt war über Hans Wollschläger im Juli 1959 in den Besitz einer Abschrift von Karl Mays ›Frau Pollmer, eine psychologische Studie‹ gekommen, dessen Manuskript zu dem Zeitpunkt vom Karl-May-Verlag noch unter Verschluss gehalten wurde. Die »Copie Nr. 2« ist eine Fiktion, um Schmidts Besitz der ›Studie‹ plausibel zu machen; s. dazu BHW Nr. 77, 78, 86, 95 u. passim.

94.7
‹POLLMER & NÄWY›

Emma Lina Pollmer (22. November 1856 – 13. Dezember 1917), Karl Mays erste Ehefrau, von der er sich 1903 scheiden ließ. Trat in den Prozessjahren Mays auch als Zeugin gegen ihn auf. Heinrich Andreas Nävy, Expedient und Gerichtsschreiber am Landgericht Dresden, dessen Name in den Akten zu Mays Meineids-Prozess auftaucht. Schmidt kannte den Namen aus Rudolf Lebius, ›Die Zeugen Karl May und Klara May‹.

94.18
Voß hatte sich ‹Lieder beim Kartoffellesen› eingebildet

Johann Heinrich Voß, ›Die Kartoffelernte‹

Kindlein, sammelt mit Gesang
Der Kartoffeln Überschwang!
Ob wir voll bis oben schütten
Alle Mulden, Körb’ und Bütten;
Noch ist immer kein Vergang!

Wo man nur den Bulten hebt,
Schaut, wie voll es lebt und webt!
O die schön gekerbten Knollen,
Weiß und roth, und dick geschwollen!
Immer mehr, je mehr man gräbt!

Nicht umsonst in bunter Schau
Blüht’ es röthlich, weiß und blau!
Ward gejätet, ward gehäufet:
Kindlein, Gottes Segen reifet!
Rief ich oft, und trafs genau!

Einst vom Himmel schaute Gott
Auf der Armen bittre Noth:
Nahe gings ihm; und was that er
Uns zum Trost, der gute Vater?
Regnet’ er uns Mannabrot?

Nein, ein Mann ward ausgesandt,
Der die neue Welt erfand!
Reiche nennens Land des Goldes;
Doch der Arme nennts sein holdes
Nährendes Kartoffelland!

Nur ein Knöllchen eingesteckt,
Und mit Erde zugedeckt!
Unten treibt dann Gott sein Wesen!
Kaum sind Hände gnug zum Lesen,
wie es unten wühlt und heckt!

Was ist nun für Sorge noch?
Klar im irdnen Napf und hoch,
Dampft Kartoffelschmaus für alle!
Unsre Milchkuh auch im Stalle
Nimt ihr Theil, und brummt am Trog!

Aber, Kindlein, hört! ihr sollt
Nicht verschmähn das liebe Gold!
Habt ihr Gold, ihr könnt bei Haufen
Schöne Saatkartoffeln kaufen,
Grad’ aus Holland, wenn ihr wollt!

Vgl. auch ›Brauchbare Wendungen zu ›Sturm und Drang‹‹ (Oktober 1958, BA Sup 1,S. 208):

Ging man aber nicht sofort wieder zu weit? »Schön röthlich die Kartoffeln sind, und weiß wie Alabaster« – das mag noch angehen; aber wenn man gleich neue Volkslieder schaffen will, »beim Kartoffellesen zu singen«: »Kinder sammelt mit Gesang, der Kartoffeln Überschwang« – dann geht das doch wohl zu weit?

94.33
‹Die Angejahrten wissen Euch zu schätzen›

Zitat aus Goethes ›Faust II‹:

Page: Ich bin verliebt, man hält mich nicht für voll.

Mephistopheles: Ich weiß nicht mehr, wohin ich hören soll.
Müßt Euer Glück nicht auf die Jüngste setzen.
Die Angejahrten wissen Euch zu schätzen. –

94.35
Azagouc & Zazamanc

Namen zweier Stoffe bzw. deren Herkunftsorte im ›Nibelungenlied‹. In Simrocks Übersetzung (Sechstes und Siebentes Abenteuer):

In arabische Seide, / so weiß als der Schnee,
Und gute Zazamanker, / so grün als der Klee,
Legten sie Gesteine: / das gab ein gut Gewand;
Kriemhild die schöne / schnitts mit eigener Hand.

[…]

Hört noch von ihren Kleidern / deren hatte sie genug.
Von Azagauger Seide / einen Wappenrock sie trug,
Der kostbar war und edel / daran warf hellen Schein
Von der Königstochter/ gar mancher herrliche Stein.

95.16
Die Ideen bildeten sich, während sie dozierte
95.27
Aber Morgenröten sind 1 Schtudium für sich, ich weiß. Und man soll, laut Eff Nietzsche, seinem Nächstn ‹Beschämunk erschpaaren›: wäre übrijens der Schatten der Geliebtn besser oder schlimmer als Garnichts?

Anspielungen auf Nietzsches ›Morgenröte‹ und ›Der Wanderer und sein Schatten‹, Nr. 344:

Wie man siegen muss. – Man soll nicht siegen wollen, wenn man nur die Aussicht hat, um eines Haares Breite  seinen Gegner zu überholen. Der gute Sieg muss den Besiegten freudig stimmen, er muss etwas Göttliches haben, welches die Beschämung erspart.

95.33
Ist Euch etwa auch das unbekannt: daß in der vorhin schon angeschpieltn Französischn Reewoluzzjohn, der Schpielkartenmacher Maudron welche mit den Gesichtern der Schreckensmänner herausgab?

Karl Richter schöpft seine Kenntnis aus ›Pariser Zustände während der Revolutionszeit von 1789–1800‹ von Adolf Schmidt (1812–1887) (Jena, 1874–1876). Schmidt besaß den Band, den er 1959 erwarb (BVZ 851). Darin heißt es in Teil 2, S. 29 f.:

Daß das Spiel zeitweise ein Deckmantel der Politik war oder mit ihr Hand in Hand ging, ist nicht zu verkennen. Schon die äußere Ausstattung der Karten bot Anlässe, die politische Gesinnung zum Ausdruck zu bringen. […] Gleich im Beginn der Directorialregierung wurde unter der Hand ein neues Kartenspiel in Umlauf gebracht, das zusammengesetzt war aus fünf Königen (die 5 Directoren bezeichnend), sechs Buben (die 6 Minister darstellend), und vielen Piken oder Schippen (als Sinnbilder des gesetzgebenden Körpers), während es »gar kein Herzen (Coeur)« enthielt, die Schellen (Carreaux) aber das vom Jammer niedergedrückte Volk vorstellten. Als Verkäufer galt der Kartenmacher Maudron, der auch »alte Karten« verkaufte, jedoch nur denen, die ihn »Monsieur« anredeten, während er sie denen vorenthielt, die ihn »Bürger« titulierten.

96.21
‹helleborosn Farrago›

s. Kommentar zu S. 47.40

96.24
Also ‹eine echte Bereicherunk im Sinne der tria corda des Ennius›

Von Quintus Ennius (239–169 v. u. Z) ist der Ausspruch überliefert, er habe drei Herzen, da er drei Sprachen beherrsche. Jacob Burckhardt schreibt in seiner ›Griechischen Kulturgeschichte‹:

Schon jedes Innewerden einer fremden Literatur, d.h. einer andern Betonung des Geistigen als die unsrige ist, wie überhaupt aller vergangenen und auswärtigen Formen des Geistes, ist eine Bereicherung im Sinne der tria corda des Ennius, vollends aber das Innewerden der hellenischen Literatur.

Siehe auch ›Wieland, oder die Prosaformen‹ (BA II, 2, S. 304):

Bücher wie dieser gigantische Briefroman vom ‹Aristipp›, die dem Fachmann reinlich das Stahlskelett der Trägerkonstruktion zeigen, und gleichzeitig dem Leser eine Fülle intrikatester ziseliertester Geistigkeiten und schönster Menschlichkeit geben, eine Bereicherung im wahrsten Sinne der tria corda des Ennius, gehören in allen Literaturen zu den größten Seltenheiten, und sollten von jeder Generation immer wieder studiert werden.

97.8
Der normale Lebenslauf: Von der Pitié nach Bicêtre: Vom Arm’haus; übers Kittchn; in de Irrn=Anschtalt.

Pitié ist ein Armenkrankenhaus, Bicêtre eine Irrenanstalt und Gefängnis in Paris. – Am 9. März 1960 schrieb Schmidt an Hans Wollschläger (BHW, S. 236):

Conrady’s Schicksal – ich erinnere mich, wie Sie mir erzählten, daß er gewissermaßen ›nur so‹ ins KZ gekommen sei: ßä la wieh!: Vom Marshalsea nach Bedlam; von der Pitié nach Bicêtre; ach wir Armen!

97.20
Lalande hat seine Katze an den Schternenhimmel versetzt – der französische Astronom. […] – Am Südhimmel: unterm Hals der Wasserschlange!

Gemeint ist der frz. Mathematiker und Astronom Jérôme Lalande (1732–1807). – Pierer:

Katze, kleines Sternbild der südlichen Hemisphäre, unter dem Halse der Wasserschlange, von Lalande aufgestellt.

99.7
Potz Gruber & Lafontaine

Johann Gottfried Gruber (1774–1851); dt. Schriftsteller, Lexikograph und Literaturhistoriker, u. a. Biograph von August Heinrich Julius Lafontaine.

August Heinrich Julius Lafontaine (1758–1831); dt. Schriftsteller, schrieb zahlreiche Romane; vgl. auch Schmidts Dialog ›Eine Schuld wird beglichen‹ (geschrieben November bis Dezember 1965, gesendet im März 1966), BA II, 3, S. 201–229.

99.9
gleich sex & firz ich

Vgl. Schmidts Übersetzungen aus ›Finnegans Wake‹ in ›Der Triton mit dem Sonnenschirm‹ (BA II, 3, S. 34):

und die undurchdringliche Jute=Weste; den volkstümlichen Hemdkragen, Größe sieben=und=firz=ich

Schmidt benutzt seine Übersetzung auch in ›..... und dann die Herren Leutnants!‹ (BA II, 3, S. 152):

und die undurchdringliche Jute=Weste; den volkstümlichen Hemdkragen, Größe sex & firz=ich

99.21
Mit der Lust der Vollterknechtinn: Leopold Schtein, ‹DIE HEXEN SIND UNTER UNS›!

Am 22. Januar 1960 schrieb Schmidt an Wollschläger (BHW, S. 220):

In diesem Zusammenhang [mit Mays ›Frau Pollmer‹] empfehle ich Ihnen, falls Sie’s noch nicht kennen sollten, das neuerschienene Buch eines gewissen Leopold Stein zu lesen ›Loathsome Woman – witches among us‹. Es ist zwar literarisch nicht ernst zu nehmen; untersucht jedoch eben jenes Problem der ›Bestie‹ und ›Hexe‹; und Sie werden, anläßlich der Niederschrift von May’s Biografie, allerlei daraus zitieren können. Diese ›Akte‹ ist ja der erstaunlichste Beleg ›von Format‹ für die dort geschilderten Fälle ; wenn dieser Dr. Stein sie kennte, würde er ihr einen Extra-Exkurs widmen.

In ››Gesammelte Werke in 70 Bänden‹‹ (1961) heißt es (BA III, 4, S. 56 f.):

Eine erste Ehe mit Emma Pollmer (1856–1917) erwies sich als langjährig=unglücklich für beide Teile – den bis jetzt nicht=vorliegenden Nachrichten zufolge [gemeint: ›Frau Pollmer‹], scheint es sich bei ihr um eine ausgesprochene ‹Hexe› gehandelt zu haben, im Sinne von L. Stein’s ausgezeichneter Studie ‹LOATHSOME WOMAN=WITCHES AMONG US›; auf jeden Fall ist sie Modellfigur für den 1 Typenkreis seiner ‹Frauengestalten› gewesen.

Gemeint ist die psychoanalytische Fallgeschichte vierer Frauen ›Loathsome Women. The witches among us‹ (1959) von Leopold Stein und Martha Alexander. Eine Besprechung vom Juni 1959 findet sich hier.

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